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Bushido | Zeiten ändern sich | (c) Constantin Film (Universal Pictures)
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Bushido ist ein Schauspieler. Mal in der Rolle des brutalen Gangsters, mal als braver Bubi. Und seit neuestem auch im Kino. Ein Kommentar zum Bushido-Film „Zeiten ändern dich“.

Der Ghettogeruch ist angeheftet.

Bushido verkauft sich gern als Außenseiter. Als einer, der es allen Widerstand zum Trotz geschafft hat. Das soll auch sein Film zeigen. Gleich zu Beginn soll der kleine Bushido das Gedicht „Der Erlkönig“ vortragen. Bushido rappt das Gedicht. Die anderen Kinder gucken komisch, eines ruft „Kanacke!“. Damit gibt der Film die Richtung vor. Er erzählt das Märchen vom armen ausgegrenzten Emigranten-Kind ohne Chancen.

So sieht er sich gerne. Im Vergleich zu seiner Buch-Biographie wirkt der Flim aber geradezu  fromm. Im Buch werden Sex und Gewalt wesentlich drastischer geschildert. Im Film ist davon nicht mehr viel geblieben. So wird die Altersfreigabe nicht unnötig nach oben getrieben, so kann Bushido sich zu Sandra Maischberger auf die Couch setzen und den wohl erzogenen Burschen geben.


Bushidos Mini-Bio
· Bushido wurde 1978 als Anis Mohamed Youssef Ferchichi in Bonn geboren. Die Mutter ist Deutsche, der Vater ist Tunesier.
· 1981: Der Vater ist Alkoholiker, schlägt die Mutter, verlässt die Familie als Anis 3 ist.
· ca. 1985-1996: In Berlin besucht Anis das Gymnasium, bricht nach der 11. Klasse aber ab.
· er macht eine Ausbildung als Maler und Lackiererer und schließt diese mit Bestnote ab.
· ab ca. 2005: als Rapper Bushido feiert er schließlich große Erfolge.
· 2008: diverse Musiker bezichtigen Bushido des geistigen Diebstahls.
· 2009: Bushido wird Filmstar und eloquenter Talkshowgast


Und auch schon diese Geschichte dürfte nur dem entsprechen, was Bushido erzählen will. Es geht nicht darum schonungslos ehrlich zu sein. Bushido macht seine eigene Geschichte. Und seine eigenen Gesetze. 2009 landete er wegen Plagiatsvorwürfen in den Schlagzeilen (Ww berichtete). Insgesamt bei drei Metal-Bands soll er sich mehr als großzügig bedient haben. Gleichzeitig gab er damals an, jeden Monat zwischen 800-5.000 Mahnungen an Raubkopierer seiner Songs rauszuschicken.

In einer bewusst auf trostlos getrimmten Umgebung muss sich Anis Ferchichi durch die Widrigkeiten des Lebens kämpfen und dabei wird kaum ein Klischee ausgelassen. Die Eltern seiner Freundin sind extra spießig und vorurteilsbelastet gegen den „Ausländer“. Bushido verachtet sie: „Das sind Opfer!“. Doch dabei wäre er gerne wie sie.

Im gleichen Moment schimpft er: „Haste was, biste was, haste nix, biste nix“. Er will Respekt. Egal, ob nun von den Spießern da oben, die er vorgeblich verachtet oder von den Hip Hop-Kollegen, für die er das Assi-Klischee bedient. Von „Respekt“ redet er ständig. Mit der landläufigen Vorstellung von Respekt hat das, wovon er da redet aber leider wenig zu tun.

Bushido schlägt seiner Freundin ins Gesicht. Er entschuldigt sich nicht. Er kommentiert das nicht. Seine Mutter gibt ihm Geld, damit er seine Dealer-Karriere beginnen kann. „Meine Mama hat mich immer  unterstützt, dafür liebe ich sie“. Eine pervertierte Art von Mutterliebe wird da glorifiziert. Aus seinem Deal mit Aggro Berlin (heißt im Film „Hardcore“) lässt er sich von einer dubiosen Mischung aus Guru und Don Corleone rausboxen. Ganz cool. Hinter verschlossener Tür.

Was da gelaufen ist, kann der Zuschauer nur vermuten. Einschneidend dann auch die Szene, wo Bushido einer Anwältin erklärt, wenn jemand ihr an den Arsch packen würde, müsste ihr Freund doch auch zuschlagen, das hätte nicht nur etwas mit Respekt, sondern „mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde zu tun“. Geht es ihm dabei wirklich um die Würde der  betatschten Frau, oder eher um die eigene, „Machowürde“?

Bernd Eichinger und Uli Edel liefern keine Sozialkritik, keine Überspitzungen, sie liefern nicht mal eine wahre Geschichte. Denn Bushido ist eben nicht Eminem. Der war wirklich ein Außenseiter. Ein weißer Rapper unter schwarzen, der sich nach oben gekämpft hat. Bushido hingegen ist ein Mittelstandskind, das sich den Ghettogeruch angeheftet hat, brav die Fäkalausdrücke gelernt hat, wie andere Vokabeln.

Reflektieren will er nicht oder kann er nicht. Dass er inzwischen in einer Villa wohnt, Millionär ist und nebenbei als Immobilienmakler arbeitet, sei ihm gegönnt. Aber was ist eigentlich mit den echten Ghetto-Kids,  die Bushido als ihr Vorbild auserkoren haben, die CDs, Biographie und Kinoticket gekauft haben? Die bekommen die nette Mär des Underdogs, der nachher allen den Mittelfinger zeigt. Doch ihnen hilft diese Au(f)steiger-Philosophie nicht. Sie werden nicht aus dem Kinosessel aufstehen und etwas aus ihrem Leben machen.

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Schlimmer noch: Sie werden sich in ihrem pubertären Machogehabe bestätigt fühlen. Einen sozialen Aufstieg verspricht das allerdings nicht. Bushido hat es geschafft. Aber vielleicht auch nur deshalb, weil er nie ein Außenseiter aus dem Ghetto war. Er kann sich hervorragend ausdrücken, hat genug Anzüge, die er zur passenden Gelegenheit rausholt und hätte, wenn er gewollt hätte, locker das Abi geschafft. Er wollte aber lieber den Mann aus dem Ghetto spielen.

Eine vertane Chance, eine fatale Message, ein Mann ohne auch nur ein Fünkchen Verantwortungsgefühl und ein Film, der besser nicht gedreht worden wäre. (sg/fw)

» Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe 03/2010 des Magazin Wildwechsel.

Bushido live auf Deutschland-Tour

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Von Wildwechsel

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