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Kai Greupner von der Agentur nurguteleute erläutert seinen Standpunkt zur und sein eigenes Verhalten in der Corona-Krise
Kai Greupner von der Warburger Agentur nurguteleute erläutert seinen Standpunkt zur und sein eigenes Verhalten in der Corona-Krise | Foto (c): Harald Morsch

Kultur in Corona-Zeiten. Kein einfach handzuhabendes Thema, besonders in unserer Branche. Eines ist klar: Die freie Zeit will gefüllt und die Existenz gesichert sein. Wie man versuchen kann, diese Gratwanderung hinzubekommen, erzählt uns heute Kai Greupner, Inhaber der Warburger Agentur „nurguteleute“.

Im Künstler-Roster von nurguteleute findet man unter anderem Sven Bensmann, Reis Against The Spülmachine, Jan Philipp Zymny und viele mehr. Einfach mal die Website checken!

Und jetzt lassen wir Kai einfach mal zu Wort kommen:

„Seit 2017 arbeite ich als selbstständiger Kulturveranstalter in Ostwestfalen, Nordhessen und Südniedersachsen. Meine Frau ist freiberufliche Kabarettistin mit knapp 70 eigenen Vorstellungen im Jahr. Durch unsere beiden kleinen Kinder, die uns häufig auf Tour zur Arbeit begleiten, kann man uns sicherlich als „Zirkusfamilie“ bezeichnen.

Nun sind wir seit einer Woche an unsere Wohnung „gefesselt“. Meine Veranstaltungen sowie die Vorstellungen meiner Frau sind bis mindestens Ende April abgesagt. Wann es danach weitergeht, kann noch niemand sagen. Die KiTas unserer Kinder sind ebenfalls bis nach Ostern geschlossen, sodass wir nun viel Zeit zu viert verbringen.

Zum Glück haben wir einen Garten, viel Lego und eine Menge Kinderbücher. Und sind wir ehrlich: Auch das Kinderprogramm der Mediatheken wird nun häufiger genutzt. Der Corona-Virus hat den kompletten Kulturbetrieb schwer getroffen.

Hieß es zunächst von der Bundesregierung recht lapidar, dass die Menschen „einfach mal auf ein Konzert“ zur Vermeidung von großen Menschenansammlungen verzichten sollten, scheint nun bei den meisten Menschen angekommen zu sein, dass an einem Konzert und jeder anderen Kulturveranstaltung eine ganze Menge Menschen und Jobs hängen.

Fällt solch eine Veranstaltung aus, sind das für den Ticketkäufer erstmal „nur“ 20 Euro, die er womöglich auch noch zurückerstattet bekommt.

Dass von der Summe der gesamten Ticketeinnahmen Künstler, Veranstalter, Techniker, Cateringfirmen, Locationbetreiber etc. leben, schien eine Zeitlang nicht allen Menschen klar zu sein. Diese Sensibilisierung scheint, wenn ich das überhaupt sagen darf, ein kleiner Erfolg der Krise zu sein. Unter den einzelnen Gewerken der Veranstaltungsbranche merkte ich aktuell eine große Solidarität. So hat sich die „Initiative für die Veranstaltungswirtschaft“ gegründet, die im direkten Austausch mit der Bundesregierung steht und für Hilfe für die gesamte Branche kämpft.

Dennoch habe ich teilweise das Gefühl, dass an einigen Stellen noch der blinde Aktionismus herrscht: Gefühlt gibt es gerade zwanzig Petitionen, die ich als Betroffener unterzeichnen soll. Welche da die „Wichtigste“ ist, kann ich selbst als Brancheninterner nicht erkennen. Ich hoffe, dass sich bald alle Mühen bündeln und es Hilfe für alle gibt.

Zum Thema Solidarität auch dieses noch: Aktuell rufen viele Veranstalter, Künstler und Locations die Ticketkäufer auf, ihr jeweiliges Ticket, wenn sie es sich erlauben können, bei einer Absage oder Verschiebung der Veranstaltung NICHT zu stornieren und ihre Ticketkosten als direkte Hilfe für die Kultur anzusehen. Teilweise funktioniert dies.

Bei meiner ersten Veranstaltung, die vom März in den Juli verlegt werden musste, wurde allerdings bereits über ein Drittel der Karten storniert. Natürlich liegt der neue Termin mitten im Sommer und viele Menschen sind ggf. im Urlaub. Aber vielleicht wären die 18 Euro, die das Ticket gekostet hat, doch für einige mehr zu verschmerzen gewesen?! Wer weiß, vielleicht jammere ich hier zu sehr. Warten wir ab, wie sich der Vorverkauf bis zum Juli entwickelt.

Was ich allerdings seit drei Woche merke: Kein Mensch kauft gerade Karten, auch nicht für Shows im Herbst/Winter, beim Storno hingegen sind alle sehr schnell dabei. So gibt es aus den örtlichen Vorverkaufsstellen gerade Berichte von Beschimpfungen und Prozessandrohungen. Liebe Zuschauer, wir mögen euch alle sehr. Und natürlich habt ihr ein Recht auf euer Storno. Aber behaltet in diesen wilden Zeiten genauso die Ruhe wie wir. Niemand möchte euch was Böses! Viel mehr: Wir kämpfen alle für die Kultur, damit auch nach dieser Krise wieder wundervolle Veranstaltungen stattfinden können.

Ich persönlich habe meine Arbeit auf Sparflamme heruntergeschraubt, nachdem alle Shows im ersten Halbjahr nun verschoben sind. Meine Frau nutzt die freie Zeit zum Schreiben ihres neuen Programms und die Kinder freuen sich über nahezu durchgehende eins-zu-eins-Betreuung durch die Eltern. Ich wünsche mir, dass sich alle Menschen solidarisch verhalten, dabei aber entspannt bleiben und sich ihren Humor erhalten. Ich hoffe, dass wir uns alle nach der Krise wieder auf, hinter und vor einer der Bühnen der Region wiedertreffen.“

Text: Kai Greupner, Foto: Harald Morsch

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Von Frank Booth

Freier Autor

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