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Silke Optekamp beim Zieleinlauf in München (Foto: Norbert Wilhelmi)
Silke Optekamp beim Zieleinlauf in München (Foto: Norbert Wilhelmi)

Auch am Tag danach spielten die Emotionen mit Silke Optekamp Achterbahn. Das Adrenalin war noch da, ein Mix aus totaler Freude und Glück im Blut. Die Schmerzen im lädierten Fuß, der sie noch in den Tagen vor dem Wettkampf geplagt hatte: „Egal“, sagt die neue Deutsche Marathon-Meisterin. „Ich kann es immer noch nicht fassen, es ist ein unbeschreibliches Gefühl, das ich niemals vergessen werde“, sagt sie. Dieses Gefühl hatte sie im Ziel schon rausgelassen, dieser Augenblick im Münchener Olympiastadion, als sie nach 2:41:50 das Zielband zerriss und ihren Tränen freien Lauf ließ. Stunden später, nach einer ewig langen Dopingprobe und vielen, vielen Interviews als strahlende Siegerin kann Silke Optekamp den Moment kurz in Ruhe genießen. „Für mich geht ein Traum in Erfüllung, es ist der Hammer“, gibt die 34-Jährige zu Protokoll, und fügt stolz hinzu: „Das war heute großes Kino.“

Großes Kino mit Silke Optekamp, der Top-Athletin des PSV Grün-Weiß Kassel, die sich diesen Titel – und dazu noch gleich den Meistertitel in der W 35 – so redlich verdient hat. Und wohl keiner anderen Athleten hat die faire Konkurrenz den Titel so gegönnt. 2012 war für Silke ein Schicksalsjahr, 2013 ist ihr großes Jahr. Wenige Wochen nach ihrem ersten Einzelerfolg bei einer Deutschen Meisterschaft mit dem Sieg in W 35 über 10 km kann sie nun gleich drei Titel vorweisen. Das Rennen in München war auch ein taktisches Meisterstück. Optekamp ließ sich vom fulminanten Antritt der späteren Dritten Sandra Klein (SG Wenden) nicht beirren und lief ihr Tempo an der Seite ihres kongenialen Vereinskollegen Fred Schmalz, der sie bis Kilometer 25 begleitete. Bei KM 18 war die Sandra Klein eingeholt, „und dann war das Führungsfahrzeug meins“, sagt die erste Deutsche Marathon-Meisterin im Trikot des PSV Grün-Weiß Kassel. Diese Bilder, beschreibt Silke Optekamp, „werden mir nicht mehr aus dem Kopf gehen.“ Am Ende gewinnt sie mit fast drei Minuten Vorsprung vor Julia Galuschka (LG Telis Finanz Regensburg, 2:44:43) und Sandra Klein (2:46:50). Dass es mit der angepeilten 2:40 bei idealem Laufwetter auf der kantigen Münchener Strecke nicht geklappt hat, darüber ärgert sich die neue Meisterin nur kurz. „Macht nichts“, sagt sie, „denn diesen Titel kann mir keiner mehr nehmen.“

Und so wird die sympathische Läuferin aus Mönchengladbach, die es mit ihrer Art auch in München im Handumdrehen schaffte, dass ihr die Herzen der Fans zuflogen, noch in den nächsten Wochen oft den eigenen großen Kinofilm vor ihren Augen ablaufen lassen und sich derweil endlich von den Strapazen der letzten Monate entspannen. Zielgerichte Monate, an deren Ende das große Ziel mit Punktladung erreicht wurde.

Titel für Fred Schmalz, Super-Debüt für Lange

Nicht nur Silke Optekamp – die Reise in die bayerische Landeshauptstadt, die sich rechtzeitig zum Start von ihrer Sonnenseite zeigte, war für das kleine Team der PSV Grün-Weiß Kassel und Trainer Winfried Aufenanger eine erfolgreiche Angelegenheit. Der eigens für die DM aus Chicago angereiste Fred Schmalz betätigte sich nicht nur einmal mehr als sekundengenauer Pacemaker für die spätere Deutsche Meisterin, sondern holte sich mit neuer persönlicher Bestzeit von 2:37:02 den Deutschen Meistertitel in der M 40. Ein großer Erfolg für den 40-jährigen Deutsch-Amerikaner, der sich immer gerne in den Dienst der Mannschaft stellt und diesmal selbst für seinen couragierten Auftritt belohnt wurde. Bester PSV-Läufer war wie erwartet Daniel Ybekal Beriye. Lange lief der Äthiopier in der Spitzengruppe mit, konnte aber am Ende das Tempo nicht halten. In 2:25:26 lief Ybekal auf Platz neun – bei seiner ersten Deutschen Meisterschafts-Teilnahme ein sehr gutes Ergebnis.

Über ein tolles Marathon-Debüt durfte sich Moritz Lange freuen. In 2:33:57 wurde der 34-Jährige 21. in der DM (Gesamt-25.) und in der M 30 Sechster. Bei der gleichzeitig ausgetragenen Deutschen Polizei-Meisterschaft Marathon stand Moritz Lange dann gleich zweimal auf dem Podium. Als Deutscher Vize-Meister im Einzel und als Deutscher Meister mit dem Hessen-Team. Zu diesem gehörte mit Daniel Asare ein weiterer PSV-Athlet, der nach 2:43:52 als 77. und 16. in der M 35 ins Ziel kam.

Daniel Ybekal Beriye, Fred Schmalz und Moritz Lange verpassten als Vierte mit dem PSV-Team Bronze um vier Minuten, durften das aber angesichts der persönlichen Top-Leistungen verschmerzen. Daniel Ghebreselasie war ebenfalls wie immer zur Stelle, wenn es um Meisterschaften geht. Trotz großer beruflicher Belastung lief der Bar-Chef des Kasseler Marathon-Hotels pentahotel mit 2:50:28 so schnell wie noch nie und ein ganz starkes Rennen und wurde mit Platz 15 in der M50 belohnt. Auch Meisterschafts-Debütant Vladimir Maier konnte mit seinen 3:16:36 sehr zufrieden sein. Gefreut haben sich die Kasseler auch über ihren ehemaligen Vereinskollegen Boris Giesen (jetzt LC Phönix Geilenkirchen), der in persönlicher Bestzeit von 2:21:50 starker Gesamt-Fünfter war und die M 35 gewann.

Youngster Leonardo Ortolano, einziger Halbmarathon-Starter der Grün-Weißen, wollte sich zwar selbst nicht ganz so richtig freuen, wurde aber von Coach Winfried Aufenanger aufgebaut und gelobt. Schließlich lieferte er mit 1:25:45 eine starke Zeit ab und wurde damit Zweiter in der MU 18. Die Reise in die bayerische Landeshauptstadt, die sich rechtzeitig zum Start von ihrer blau-weißen Sonnenseite zeigte, wurde für das kleine PSV-Team so zu einer erfolgreichen Angelegenheit.

» Ergebnisse vom München-Marathon unter muenchen.r.mikatiming.de/2013/

Von Wildwechsel

Online-Redaktion des Printmagazin Wildwechsel. Wildwechsel erscheint seit 1986 (Ausgabe Kassel/Marburg seit 1994). Auf Wildwechsel.de veröffentlichen wir ausgewählte Artikel der Printausgaben sowie Artikel die speziell für den Online-Auftritt geschrieben wurden.

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