Das Burg Herzberg Festival 2017 wird in Erinnerung bleiben. Zum einen was musikalisch geboten wurde, zum anderen was die Wetterkapriolen betraf.
Heftigste Regenfälle sorgten dafür, dass die Veranstalter jeden Tag erneut die anreisenden Besucher bitten mussten, doch bitte einen Tag später anzureisen, da ein befahren des Camping Geländes unmöglich wurde. Die wenige Fahrzeuge die von Traktoren auf das Gelände gezogen wurden, sorgten für tiefe Spurrinnen. Doch die Veranstalter haben gemeinsam mit der Gemeinde Breitenbach Lösungen für das außergewöhnliche Wetterproblem gefunden.
Separate Camp-Wiesen wurden ausgewiesen und Shuttlebusse organisiert. Wo Mitte der Woche fast alles im Schlamm zu versinken drohte, wurde es ab Freitag immer besser. Samstag und Sonntag gab es sogar Sonne satt. Der Turnaround war perfekt Bestes Sommerwetter ohne einen Tropfen Regen.
Der Stimmung tat dies von Anfang an keinen Abbruch, mit dem Wetter wurde sich arrangiert. Sowieso ist die Atmosphäre von jeher einmalig in Freak City, wie liebevoll das Festival Camp genannt wird. Hier gilt es für ein paar Tage oder eine knappe Woche abzuschalten, nett zueinander zu sein, alternatives Leben zu leben und schlicht gute Musik zu hören. Innerhalb weniger Tage entsteht eine Kleinstadt voller Frieden und Respekt.
Mit 11.000 verkauften Tickets war das Herzberg Festival restlos ausverkauft. Über 100 Künstler, Bands und Literaten waren zu erleben. Vier Bühnen boten große Namen und kleine Entdeckungen. Zudem findet man in größeren Zelten oder auf LKW Anhängern weitere inoffiziellen Bühnen. Hier gibt es ebenfalls jegliche Art von Musik, die mit viel Herzblut an das Volk gebracht werden.
Musikalische Höhepunkte gab es einige in diesem Jahr. Verständlicherweise etliche, die auf der Hauptbühne auftraten: Vom Bluesrock der Norweger Pristine oder dem US Gitarrenheld Kenny Wayne Shepherd, aber auch der harte Retro Rocker von The Vintage Caravan. Ebenso die Multi Kulti Truppe von Bukahara, die nach 2016 zweimal hintereinander auftraten. Das hat durchaus Seltenheitswert auf dem „Berch“.
Für viele Besucher gab es wie jedes Jahr auch absolute Überraschungen, Bands von denen man glaubte, „das ist nicht unbedingt meine Musik.“, so ein Herzbergler. Hierzu zählen Tinariwen, deren afrikanische Sound der Touareg die Zuhörer geistig in deren Heimat, der südlichen Sahara Wüste entführte. Oder die Ska und HipHop Formation Irie Révoltés, die für erstklassige Stimmung und ausgelassenes Tanzen sorgten.
Unzählige Entdeckungen konnte man auf den Nebenbühnen machen. Von der Freakstage, der kleineren Mentalstage oder dem schnuckligen Höllenschuppen. Wir möchte eher zwei Altbekannte nennen, die besonders gut ankamen: Philip Bölters Purple Rain. In der Region schon lange keine Unbekannten mehr. Sowie die reformierten Fargo, mit zwei Originalmitgliedern. Ende der 70er und Anfang der 80er schrieb die Band aus Hannover ein kleines Stück deutsche Hardrock Geschichte.
Unbestrittene Highlights waren die Auftritte von Jethro Tull’s Ian Anderson am Samstag Abend und Patti Smith am Sonntag Abend. Schon verwunderlich, dass jemand der kurz vor seinem 70. Geburtstag und eine die ihren 70. Letztes Jahr feiern durfte, noch heute so viele Menschen begeistern.
Ian Anderson ist noch gut bei Stimme und gibt noch überzeugend den so typischen auf einem Bein jonglierenden Querflötisten. Gemeinsam mit seiner gut eingespielten Band bot er ein Jethro Tull Best Of Programm von „Living In The Past“ bis „Heavy Horses“. Besonders gefeiert wurden „Thick As A Brick“ und natürlich der krönenden Abschluss mit „Aqualung“ und „Locomotive Breath“. Unzerstörbare Rockklassiker die ausgelassen mitgesungen wurden.
Krönender Abschluss des Herzberg Festival war Patti Smith mit ihren Mitmusikern: Ihrem langjährigen Bandbassisten Tony Shanahan, dem Drummer und Percussionisten Seb Rochford und ihrem Sohn Jackson Smith an der Gitarre.
„I come to see you“
Immer wieder hörte man: Patti wollte unbedingt nochmal auf dem Herzberg Festival spielen. Schon der Auftritt vor drei Jahren war einzigartig. Doch dieser toppte nochmal alles. Mit welch ehrfurchtsvollen Willkommensgeist diese nicht hoch genug zu schätzende Künstlerin von „Freak City“ begrüßt wurde, ist kaum in Worte zu fassen. Alle warteten auf diesen Auftritt. Umgekehrt sagte Patti Smith: „I come to see you“!
Zwei Stunden legte sie mit Band einen ganz besonderen Zauber über das Konzertgelände. Mit welcher Präsenz sie die Bühne füllt, welche musikalische Kraft sie versprühen kann, das lässt keinen kalt. Schon nach kurzer Zeit war für alle das Gefühl da, eins zu sein. Patti hielt viel Konversation mit dem Publikum, hatte sichtlich Spaß mit ihrer Band und vor allem mit seinem Sohn Jackson. „I Made Him“, bekleidet von kräftigem Lachen von beiden.
Teils ehrfurchtsvolle Stille herrschte, wenn sie aus ihrem Leben erzählte oder die Bedeutung der jeweiligen Songs schilderte. Regelrecht hypnotisch wurde es, als sie „Tarkowsky (The Second Step Is Jupiter)“ spielte. Eine Gedichtsvorlesung als Song, wo selbst der musikalische Geist, aufgrund des Doors Sounds von Jim Morrison greifbar schien. Nicht umsonst wird Patti auch als „Schamanin des Rock“ gerne bezeichnet. Ebenso unter die Haut ging das U2 Cover „Mothers Of The Disappeared“ von Joshua Tree. U2 ist gerade mit ihrem Jahrhundertalbum auf 30jähriger Jubiläumstour. Beim Auftritt in Paris wurde Patti als Gast auf die Bühne der Iren gebeten, um mit ihnen genau diesen Song zu performen. Nun hat Patti das sozialkritische Stück in ihr eigenes Programm übernommen.
Aber auch der urige, echte Rock’n’Roll kam nicht zu kurz: „Jesus died for somebody sins, but not mine“, die Eröffnungsworte aus „Gloria“ vom Debüt „Horses“ zeigte wie Mitte der 70er der Punk in den Rock einzog. Die Springsteen/Patti Smith Hymne „Because The Night“ und das fantastische „People Have The Power“ sorgen für überglückliche Gesichter beim Herzberg Publikum, aber auch bei der Band. Ein wahrhaft wundervoller Abschluss.
Nach dem Festival ist vor dem Festival: Nächstes Jahr ist es 50 Jahre her, dass das Herzberg Festival erstmals veranstaltet wurde. Gegründet seinerzeit von THE PETARDS aus Schrecksbach. So freuen wir uns auf das Jubiläumsjahr und sind gespannt auf die Überraschungen die uns das Herzberg Team sicher bescheren wird. Wünsche durften bereits Online und auf Plakaten abgegeben werden.