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Eine startende Passagiermaschine am Jubiläumstag (Foto: Rainer Sander)
Eine startende Passagiermaschine am Jubiläumstag (Foto: Rainer Sander)

1097 Tage ist der Airport Kassel jetzt im Luftfahrtnetz präsent. Drei Jahre voller Kritik, Hoffen und Aufwärtstrend. Ein gutes organisches Wachstum nennt Flughafenchef Ralf Schustereder die Entwicklung und das Jahr 2015 habe gezeigt, dass der Airport seine Berechtigung hat. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 29.156 Flugbewegungen gezählt. Eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr um etwa 10 Prozent (2014: 26.419 Flugbewegungen, 2013: 22.891). Die Passagierzahlen befinden sich ebenfalls in einem Aufwärtstrend. 64.926 Fluggäste im Jahr 2015 sind knapp 38 Prozent mehr als 2014 (47.088) und fast 40 Prozent mehr als 2013 (46.557). dabei zählen die Fallschirmspringer nicht als Fluggäste. 

Defizit um fast Das wird die Kritiker und Nörgler, die gebetsmühlenartig eine schnellstmögliche Kostendeckung oder stattdessen die Schließung, zumindest Rückstufung zum Verkehrslandeplatz – wie Marburg-Schönstadt oder den Viessmann Flugplatz in Allendorf/Eder – verlangen, kaum ruhig stellen. Da hilft vermutlich auch die Tatsache nicht, dass der Flughafen sein Defizit von 8 Millionen Euro auf 6,1 Millionen verringert hat. Statt der im Plan geforderten 10 Prozent pro Jahr weniger Miese, sind es fast 25 Prozent geworden. Damit ist der Flughafen seiner Entwicklung also fast zweieinhalb Jahre voraus.

Wichtige Argumente für den Flughafen waren in seiner Neubau-Planungsphase die Entwicklungen der Gewerbebetriebe am bestehenden Flughafen, die ohne Landebahn das Feld hätten räumen müssen und die Entwicklung Nordhessens als Logistik- und Technologiestandort mitten in Deutschland, mitten in Europa. Geschäftsreisen von SMA, VW, Mercedes, Amazon, K+S sowie anderen Unternehmen sollten den Airport beflügeln.

 

Mehr Luftfahrtindustrie, deutlich mehr Frachtaufkommen

In der Tat planen jetzt Airbus und ZF einen Ausbau in Calden. Mehr wollte Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer, Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens, nicht verraten: „Ich bin nicht der Unternehmenssprecher…“. Und tatsächlich beflügeln Technologie und Logistik ebenfalls den Flughafen. Allerdings anders als geplant und das zeigt, wie schwer es ist, Prognosen für die Zukunft und gesicherte Wirtschaftlichkeitsberechnungen abzugeben: Seit November 2015 finden auch reine Frachtflüge statt. Es gäbe Logistikzentren in einer 1 Stunde Entfernung im Umland und die katapultierten die Luftfracht in 2015 mit 168,1 Tonnen auf mehr als das Dreifache gegenüber 2014 mit 49 Tonnen. Und 2015 werden 1.800 bis 2.000 Tonnen erwartet. Das wäre mehr als 10 Mal so viel wie der jetzt schon überproportional gestiegene Wert. Eine Einnahmequelle, so Flughafenchef Ralf Schustereder und Schäfer, die niemand auf dem Schirm hatte. Frachtströme haben Sich stark verändert und unter anderem Amazon in Bad Hersfeld nutzt das Angebot.

Bei Fracht käme Kassel dann auf Rang 15 unter allen bundesdeutschen Flughäfen, aktuell belegt er Rang 21. Dafür wächst der Tourismus zunächst nicht so weiter, wie erhofft. Ziele in Ägypten (instabile politische Lage) oder die Türkei (schwierig durch Terror-Anschläge) sind zurzeit nicht die begehrtesten Reiseziele. Gerade mit denen hatte Kassel aber in der Vergangenheit gepunktet. Und die Linienflüge? Ja, es gebe Hoffnungen, gibt Schustereder Ausblick, aber ob es Turkish Airlines sein werden, bleibt ungewiss. Kassel stünde bei der expandierenden Linie vom Bosporus immer noch auf der Vormerkliste, aber erst Anfang 2018 – dann gibt es den neuen Flughafen in Istanbul – entstehen neue Kapazitäten für Starts und Landungen in der Türkei. Vorher werde kaum eine Entscheidung fallen. Zur documenta lernt die Aegean Airline Kassel kennen und vielleicht lieben?
Und die Flüchtlingsflüge? Zwei Mal im Monat starten noch Maschinen in die Herkunftsländer. Bleibt die Flüchtlingssituation wie sie ist, wird sich der Wert nicht steigern. Des einen Freud, ist also des anderen Leid.

Negative Spekulationen schaden

In 2017 wird über den Airport neu entschieden. Allein das ständige – zumeist dem kleineren Koalitionspartner in Wiesbaden geschuldete – Gerede über Rückstufung und Schließung, macht den Flughafen nicht interessanter für Airlines, Fluggäste und gewerbliche Investoren. Wenn die Gemeinde Calden lautstark über die Belastung klagt, aber aus den Gewerbebetrieben am Flughafen gleichzeitig ihre höchste Einnahme generiert, ist auch das nicht förderlich fürs Image.
Sollte der Flughafen jemals wirklich schwarze Zahlen schreiben, wäre er eine Ausnahme in Deutschland. Denn alle deutschen Regionalflughäfen kämpfen wenig erfolgreich um die berühmte „Schwarze Null“. Kontinuierlich erreichen tut sie keiner und wenn einer der 18 Regionalflughäfen in ihre Nähe kommt, dann weil die Beihilferichtlinien der EU sehr großzügig ausgelegt werden. Nach einer Andeutung von Dr. Schäfer ist zu vermuten, dass die Wettbewerber durchaus Angebote „sponsern“.

Kaum ein Flughafen rechnet sich

Doch auch die internationalen Flughäfen in Deutschland sind bis auf zwei Ausnahmen – Frankfurt und München – keine Goldgruben. Und diese beidem Airports verdienen ihr Geld kaum allein mit den Flugbewegungen. Vermietungserlöse und andere Einnahmen sorgen dort für Gewinne. Aber auch Bahnhöfe und Straßenbahnhaltestellen rechnen sich nicht, weil Verkehrsmittel immer durch das Gemeinwesen gestützt werden. Und wer sich in einer Chartermaschine nach „Malle“ umsieht und umhört erkennt, dass es dabei sich nicht um das Verkehrsmittel der reichen Minderheit dreht. Eine Anbindung an den Luftraum hat der aufsteigenden Region Nordhessen nie geschadet. Fragt man eine Ferienanlage, ob sich ihr Hallenbad rechnet, werden alle mit Nein antworten. Aber wir allen würden dort ungern Urlaub buchen. Vielleicht würde das Fehlen eines Flughafens der Region genauso schaden. (rs)

Quelle: Rainer Sander (Bilder / Text)

» [ Website des Flughafens Kassel-Calden ]

Von Frank Booth

Freier Autor

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