„In dieser Stadt Warburg brauet man ein herrlich gut Bier“, heißt es in einer Chronik aus dem Jahr 1327. Das Brauwesen hat in der schmucken Doppelstadt an der Diemel eine jahrhundertelange Tradition, die seit dem Jahr 1721 verbrieft mit dem Namen Kohlschein verbunden ist. So feiert die Warburger Brauerei Kohlschein im Jahre 2021 ihren 300. Geburtstag!
Im Jahr 1721 erwirbt der Brauer Johann Jodocus (Jobst) Kaulschien (Kohlschein) das Braurecht der Stadt Warburg für sich und seine Familie. Heute führen die Cousins Michael und Franz-Axel Kohlschein die unabhängige und selbstständige Familienbrauerei in der zehnten Generation, seit Neujahr 2008 stehen sie in der Verantwortung.
Warburger Brauerei bringt Editionsbier zum Jubiläum heraus!
„Wir fühlen uns dem Familienerbe verpflichtet“, betonen Michael und Franz-Axel Kohlschein. Wie die neun Generationen zuvor wollen sie das historische Erbe bewahren und gehen dabei gemeinsam neue Wege in die moderne Braukunst. Mit einem Editionsbier zur Feier des Jubiläums ist dabei der Brückenschlag über drei Jahrhunderte auf schmackhafte Weise gelungen.
Das Etikett weist auf den historischen Ursprung hin. Am 31. Januar 1721 erwarb Jodocus Kaulschien für sich und seine Frau Anna, geborene Niggemann, die Braugerechtigkeit. Der Eintrag über die Zahlung von 30 Reichstalern findet sich noch im Cameralregister des Stadtarchivs. Dies ist gleichsam die Geburtsurkunde der Warburger Brauerei.
Nicht nur das Etikett ist ein Hinweis auf die Brautradition, auch die Braugerste weist auf die handwerklichen Ursprünge hin. Mit einer Landgerste, die aus bei archäologischen Ausgabungen gefundenem mittelalterlichen Gerstenkorn nachgezüchtet wurde, wird die Basis gelegt.
In dem 20-Liter-Sudwerk der Warburger Brauerei wurde Braumeister Peter Schießl in der Erprobungsphase alles abverlangt, um dem schwierigen Vorprodukt ein handwerklich perfektes Bier zu brauen. „Wir sind weltweit eine der ersten Brauereien, die diese historische Gerste verarbeiten“, freut sich Franz-Axel Kohlschein. „Wir können uns freuen, dass in Bayern die Rekultivierung historischer Getreidesorten gefördert wird. Das macht dieses Projekt erst möglich“, ergänzt Michael Kohlschein.
Das Editionsbier 1721 ist ein leicht bitteres obergäriges Braunbier mit einer besonderen Würze. Landrat Michael Stickeln und Bürgermeister Tobias Scherf war es am Freitag unter Beachtung der Corona-Regeln vorbehalten, ein Fass dieses Jubiläumsbieres anzuzapfen. Auf Grund der Corona-Lage werden die Feierlichkeiten auf den Sommer verschoben.
Dabei wollen Michael und Franz-Axel Kohlschein die Entwicklung abwarten. „Wir hoffen, dass wir im Sommer mit der Eröffnung des Biergartens wieder ein Stück weit Normalität in den Alltag einzieht“, erklären die Geschäftsführer der Brauerei. Bereits 2020 war der Biergarten an der Kuhlemühle eine sehr beliebte Abwechslung für die pandemiegeschwächte Gesellschaft (Ww berichtete).
Brauerei Kohlschein will Chronik veröffentlichen
Im Sommer wird auch eine Chronik der Brauerei veröffentlicht, die aufzeigt, wie sehr sich die Kohlscheins der Braukunst und den Werten einer Familienbrauerei verpflichtet fühlen. Dabei wird neben der Unternehmensgeschichte auch die Stadtgeschichte skizziert. 1436 setzt die Stadt in ihrer Verfassungsurkunde, dem “Großen Brief”, auch ein Qualitätsstatut für Warburger Bier. Als sichtbares Zeichen dieser Tradition und Herkunft tragen die Biere der Warburger Brauerei bis heute Siegel und Namen der Heimatstadt.
Mehr als 250 Jahre war die Brauerei in der Warburger Innenstadt stadtbildprägend, mit dem Erwerb der Kuhlemühle im Jahr 1973 wurde ein weiterer Entwicklungsschritt eingeleitet. Auf dem Gelände der ehemaligen Papierfabrik Bering, die aus Bördestroh Papier herstellte, wurde der Grundstock gelegt, die Brauerei auch mit regenerativen Energien zu versorgen. Die Wasserkraft der Diemel wird sinnvoll in betriebliche Abläufe integriert.
Dies war aber nicht der erste Umzug der Brauerei. Am 11. August 1832 verlegte Dominikus Franz Xaver Kohlschein den Braubetrieb von der Ecke Pottgasse/Unterstraße an die Nordseite des Neustadtmarktplatzes. An alter Stelle wurde damals eine der größten Hausbrauereien der Stadt betrieben, neben der Landwirtschaft und der Bäckerei.
Auf dem neuen Gelände wurde dann auch eine Gastwirtschaft eingerichtet, die Bäckerei bestand noch bis zum Jahr 1864. Bis dahin wurde nur obergäriges Bier gebraut, dann hielt moderne Brautechnik Einzug und die Kohlscheins gingen dazu über, mit hohem Kühlaufwand untergäriges Bier herzustellen, das nicht nur in der Gartenwirtschaft und dem Brauereiausschank, der später von der Familie Larenz als Pächter geführt wurde, sehr geschätzt wurde.
Die Warburger Brauerei Kohlschein expandierte und stieß immer mehr an ihre räumlichen Grenzen in der Innenstadt. Die neunte Generation mit Heinrich und Peter Kohlschein machte sich auf die Suche nach einem neuen Betriebsgelände.
Lange wurde ein Neubau in der Nähe der Autobahnauffahrt bei Welda favorisiert, ehe sich die Chance auftat, die ehemalige Papierfabrik Bering an der malerischen Diemel zu erwerben. Dort wurde in moderne Technik investiert, ohne die handwerkliche Braukunst zu vernachlässigen.
„Nach alter Brauersitte wird bei uns kalt gegoren und bei tiefen Temperaturen in liegenden Tanks kalt gereift. Bewusst lehnen wir thermische Verfahren der Haltbarmachung wie Pasteurisation oder Kurzzeiterhitzung ab“, erklärt Michael Kohlschein.
Eigener Brunnen, eigener Strom, eigene Hefereinzuchtanlage!
Das eigene vorzügliche Brauwasser und beste Rohstoffe, für die auch Landwirte aus der Region verantwortlich zeichnen, prägen den Geschmack. „Mit eigenen Brunnen, eigener Stromerzeugung aus Wasserkraft und einer eigenen Hefereinzuchtanlage erzeugen wir einen wesentlichen Teil unserer Rohstoffe, nämlich Brauwasser, Energie und Brauereihefe direkt in der Brauerei“, betont Michael Kohlschein. Mit einem starken Mitarbeiterteam werden Herausforderungen wie neue Produktentwicklungen gemeistert.
Das Biobier, das Weizenbier, auch in einer alkoholfreien Variante, viele Spezialbiere wie das beliebte Urtyp, eigene Limonaden und als neueste Kreation ein Brewhouse-Gin wurden gemeinschaftlich entwickelt und trafen den Geschmack der Kunden.
„Wir sind gespannt, wie unseren Kunden das Jubiläumsbier mundet“, freuen sich Michael und Franz-Axel Kohlschein auf weitere Herausforderungen, um auch der nächsten Generation den Boden für die Fortführung der Warburger Braukunst zu bereiten.+
Nachhaltigkeit im Blick!
„Heute schon an morgen denken“ – unter diesem Motto verfolgt die Brauerei auch Projekte, die der Nachhaltigkeit des Unternehmens dienen, PV-Anlagen und das 2012 neu gebaute Wasserkraftwerk sind sichtbare Zeichen. „Die Artenvielfalt liegt uns am Herzen“, sagt Franz-Axel Kohlschein. Umweltprojekte wie das Lerchenfenster und der Anbau von Biogerste in der Region untermauern diesen Anspruch.
Blick auf die Historie der Brauerei Kohlschein
Beim Kälkenfest ist die vom Heimat- und Verkehrsverein gespielte Bierprobe stets ein beliebtes Stück, in dem auch die mittelalterliche Brautradition auflebt. Im Mittelalter wachten die Städte über die Qualität des Bieres. Sie beauftragten Schmeckeherrn, den Sud zu testen, der damals in den vielen kleinen Bräustätten jährlich einmal gekocht wurde.
Im Sommer feierte die ganze Stadt ein besonderes Spektakel: die große Bankprobe. Eigenhändig schüttete der Braumeister frisches Bier auf eine Holzbank. Die Brauknechte setzten sich mit ihren Lederhosen in das frische Bier. Klebte die Bank am Gesäß, war der Sud gelungen.
Die Bierprobe ist in einem historischen Text überliefert, der seit Generationen im Familienarchiv der Kohlscheins aufbewahrt wird.
“Dass Warburgs Bier ist gut an innerem Gehalt, bezweifele ich nicht!
Doch soll sogleich geschehen, man prüf es dergestalt:
Die Bankprob muss dies Bier bestehen!
Braumeister Kaulschien und Ihr Knechte macht Euch bereit.
Beweist mir, dass gelungen dieser Sud.
Klebt Euch die Bank am Hintern, ist’s Bier wieder gut!”