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Solidaritaet

Da geht es hin, das Jahr 2015. Für die einen mag es besonders erfolgreich gewesen sein – aber sind wir mal ehrlich: Jeder Helene-Fischer-Einspieler könnte jetzt nicht ändern, dass das abgelaufene Jahr eines war, das geprägt wurde von Terror, Krisen, Uneinigkeit, Hass und Angst.

Es fing schon kurze Zeit nach Silvester an: Der Anschlag auf Charlie Hebdo in Paris erschütterte die Welt. Nachdem das Magazin Mohammed-Karikaturen veröffentlichte, fühlten sich Islamisten dazu berufen, zwölf Menschen zu ermorden. In den zwei Tagen danach erschoss ein weiterer Terrorist im Raum Paris eine Polizistin und vier Kunden eines jüdischen Supermarktes. Danach ging es los mit spekulativen Fragen, á la „Was darf Satire?“. Die einen, zu denen ich mich zähle, hielten es mit Kurt Tucholsky, und beantworteten diese Frage mit einem schlichten „Alles!“. Die anderen hielten sich an John Stuart Mill, der da sagte „Die Freiheit des Einzelnen darf sich nicht zu einer Belästigung für Andere entwickeln“

Was sagt es also über den aktuellen Zustand unserer Gesellschaft aus, dass der Freiheitsbegriff über 300 Jahre nach Rousseau und Co. anno 2015/16 beinahe untrennbar wieder mit der religiösen Frage verbunden ist? Durch falsch verstandene Solidarität, durch von Fanatikern geschürten Hass, durch von Demagogen entzündete Ablehnung haben wir es geschafft, den öffentlichen Raum wieder zu klerikalisieren. Worte wie Islamfeindlichkeit, Christenverfolgung, Antisemitismus sind wieder in der Alltagssprache der Medienressorts zu Standardvokabular geworden.

Gewiss nichts daran geändert hat die Flüchtlingssituation in ganz Europa. Der ohnehin latente Rassismus, der gerade in unserem Land seit langer Zeit sauer aufstieß, fiel jetzt auf fruchtbaren Boden. Solidarität, die immer groß gepredigt wurde, wenn es Deutschland nicht betraf, war jetzt auf einmal schneller verflogen als die Euphorie nach dem Titelgewinn unseres DFB-Teams letztes Jahr. „Ach du liebes bisschen, jetzt belegen sie schon Turnhallen für Flüchtlinge!“ Ausgerechnet der Schulsportunterricht, seit Jahrzehnten einer DER Grundpfeiler des ohnehin total konkurrenzfähigen deutschen Bildungssystems, drohte einer menschlichen Geste zum Opfer zu fallen. Die ganz besonders eifrigen ließen es sich nicht nehmen, jeden Montag auf die Straße zu gehen.

Und dann kam der Tag, der für alle Pegida-, Kagida-, Legida-Fackelläufer Wasser auf die Mühlen ihrer reaktionär-faschistischen Denke war. Der 13. November. An fünf verschiedenen Orten in Paris, darunter nahe des Stade de France, wo die DFB-Elf gerade ihrer Post-WM-Lethargie ein Ende setzen wollte. Und in der Konzerthalle Le Bataclan, wo Fans der Alternative-Rock-Band Eagles of Death Metal nicht nur getötet, sondern sprichwörtlich hingerichtet wurden.

Auf all diesen Hass, all diese Ressentiments kann es nur drei Reaktionen geben: Solidarität, Menschlichkeit und Nächstenliebe. Dass das möglich ist, hat die Geschichte Europas nach 1945 gezeigt. Pack ma’s!

Von Frank Booth

Freier Autor

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