
Sebel, 1980 als Sebastian Niehoff in Bochum geboren, ist eine echte Ruhrpottschnauze. Er macht seit 2001 deutschsprachige Songs und steht seit Jahren mit erfolgreichen Künstlern wie Stoppok oder Alligatoah auf der Bühne. Zuletzt hat Sebel sein sechstes Album „Sträusse aus Pflaumen“ veröffentlicht. Über all das spricht Reinhard Franke mit Sebel im Interview!
Am 5. Oktober 2024 spielte Sebel im Hansa-Theater in Dortmund. Im Interview mit dem Journalisten Reinhard Franke spricht der 43-Jährige über die Platte, Stoppok und seinen Ruf als Multiinstrumentalist. Mit Stoppok führte Franke übrigens 2024 auch schon ein spannendes Interview, was wir hier veröffentlicht haben.
Ihr neues Album trägt den Titel „Sträuße aus Pflaumen“. Wie kamen Sie auf diesen witzigen Namen?
Sebel: Ich habe sehr lange nach einem Titel gesucht, der absolut nichts mit dem Album, oder mit irgendeinem Song zu tun hat. Musikalisch und textlich habe ich auf diesem Album viel experimentiert, viele Songs und Texte habe ich sehr schnell aus der Hüfte geschossen. Ich wollte mal probieren, weniger meine rechte Gehirnhälfte zu nutzen, dafür mehr die linke und mein Bauchgefühl.
Ich habe versucht in meinem Unterbewusstsein zu kramen, und dabei nicht darüber nachzudenken, ob das irgendjemandem da draussen gefallen könnte. Der Titel war bei einer Zigarettenpause plötzlich da, mir gefiel er und ich habe ihn nicht weiter hinterfragt. Er passt zum Grundgefühl des Albums.
Sie machen alles alleine. Sie schreiben und produzieren alleine Songs und mischen alles in Ihrem eigenen Studio. Ohne fremde Hilfe. Auch die Videos machen Sie selber. Haben Sie schon immer alles auf eigene Faust gemacht?
Ich habe immer schon viel alleine gemacht, habe aber auch zwischendurch gerne mit anderen Musikern, Produzenten oder Filmemachern zusammengearbeitet. Die kreative Zusammenarbeit mit anderen Menschen möchte ich nicht missen, denn Sie bringt immer viel Spaß und auch oft unverhofft tolle Ergebnisse. Wenn man alles selber machen kann, ist das oft Fluch und Segen zugleich.
Eigentlich bin ich ein guter Teamplayer, doch wenn du wirklich an deine eigene authentische Kreativität herankommen willst, und etwas abliefern möchtest, das zu 100 Prozent du selbst bist, dann geht das für mich manchmal nur im Alleingang.

Wie reagieren Sie, wenn man über Sie sagt „Der kann alles?“ Hebt man da nicht ab?
Ich kann das glaube ich für mich nicht behaupten, ich bin von Natur aus ein Niedrig-Stapler, und verheimliche sogar oft viele meiner Talente. Es gibt Menschen, die wissen gar nicht, dass ich Musik mache. Für die bin ich Fotograf oder Kameramann oder Regisseur. Dann gibt es welche, die können sich nicht vorstellen, was ich noch was anderes mache, als zum Beispiel mit Stoppok auf der Bühne zu stehen.
Von Natur aus ein Niedrig-Stapler
Sebel, aka Sebastian Niehoff
Ich mag den Moment wenn Leute zufällig mitbekommen, was ich noch alles so mache. „Wie, das Foto da auf dem Plakat ist von dir?“ oder „Hä, du hast sechs deutschsprachige Alben gemacht und ich hab‘ davon nix mitbekommen?“
Sie bearbeiten auch jede Bestellung selbst und kleben auch die Briefmarke auf den Umschlag. Vertrauen Sie nur sich selbst?
Obwohl ich ein absoluter Chaos-Mensch bin, habe ich mittlerweile gelernt, mich so zu organisieren, dass ich völlig unabhängig und autark meine Musik vertreiben und davon leben kann. Mit der bisherigen Erfahrung habe ich das ganz gut im Griff, und weiß, wie ich ein Release planen muss, damit nicht alles im Chaos endet. Ich vertraue mir da inzwischen.
Sie sind ein Multiinstrumentalist. Auf dem Album „Wie deutsch kann man sein“ haben Sie sämtliche Instrumente selber eingespielt. Bei Stoppok spielen Sie Orgel, Piano, Bass, Gitarre und bis zur aktuellen Platte auch Drums. Wieso können Sie so viel selbst spielen?
Ich habe auf allen Platten fast immer alle Instrumente selber gespielt, gerade bei der ersten („Wie deutsch kann man sein“) und bei den letzten drei Platten. Ich komme vom Schlagzeug und spiele in Bands mit eigenen Songs seit ich 14 Jahre alt bin. Mich hat es damals schon genervt für Songs immer nur einen Groove beizusteuern. Ich wollte unbedingt eigene Musik schreiben.
Die Faszination einen eigenen Song zu schreiben, hat damals begonnen und hat mich nie wirklich losgelassen. Es war also unabdinglich, dass ich andere Instrumente lerne. Ich hatte nie das Bedürfnis an einem Instrument schnell und virtuos zu sein, ich wollte nur lernen einen Song zu schreiben, zu begleiten, zu produzieren. Ich habe das dann bis heute immer weiter perfektioniert und kann heute an jedem Instrument einem Song das geben, was er meiner Meinung nach braucht.
Stoppok nahm Sie ab 2007 als Lichtmann und Roadie mit auf Tour. Ab 2009 holte er Sie in seine Band. Zunächst an der Hammondorgel und Gitarre, später an den Drums. Wie war diese Zeit?
Ich habe Stoppok mit 18 Jahren kennengelernt, das ist jetzt 25 Jahre her. Er war damals Fan von meiner Band „Kiosk“ und hat einige Songs mit uns zusammen aufgenommen. Wir waren damals Fan von Stoppok und ich bin es bis heute geblieben. Ich habe heute noch das Gefühl als „Fan“ mit ihm zusammen auf der Bühne zu stehen. Ich steh da manchmal und denke „mein Gott…es kann doch nicht sein, dass ich hier mit Stoppok auf einer Bühne stehe?!“.
Es macht auch einsam
Sebel, aka Sebastian Niehoff
Wir sind mittlerweile sehr enge Freunde geworden. Die Zeit als Lichtmann war für mich prägend, ich war damals Anfang 20 und habe das Rock’N’Roll-Leben kennengelernt. Ich bin in jeder Stadt um die Häuser gezogen und hatte in jeder 2. Stadt eine Bekanntschaft. Das war eine herrliche Zeit und ich bin dankbar sowas als junger Mensch erlebt zu haben.
Was haben Sie sich von Stoppok abgeschaut? Was bewundern Sie an ihm?
Ich bewundere seine authentische und optimistische Art sich durchs Leben zu schlängeln. Sich selber und seine Kunst dabei nicht zu ernst zu nehmen, dabei immer auf sein Herz und sein Gefühl zu hören, und die Menschen um sich herum mit Respekt zu behandeln. Der Mann hat einfach das „Herz am rechten Fleck“.
Sie sind eine echte Ruhrpottschnauze, leben in Recklinghausen. Was ist das Ruhrgebiet für Sie?
Ich liebe einfach die Menschen hier, den einfachen und unkomplizierten Umgang miteinander. Wir sagen, was wir denken und was wir fühlen, und das in einer einfachen und unkomplizierten Sprache.
„Für Dich da“ ist eine wunderbare Liebesballade. Für wen ist dieser Song und warum?
Den Song habe ich rund ein Jahr nach der Geburt meiner Tochter geschrieben und reflektiert meine ganz persönlichen Gedanken zum Vaterwerden. Erst wollte ich diesen Song niemals veröffentlichen, wollte, dass er nur für sie da ist. Dann haben einige andere Papas diesen Song zufällig gehört und konnten sich dort zu 100 Prozent wiederfinden und haben mich ermutigt den Song zu veröffentlichen.
Wut muss raus
Sebel, aka Sebastian Niehoff
„Vladimir, der kleiner Bandit“ ist ein Lied über Putin. „Ein kleiner Narzist, der seine Fahne hisst“. Wieviel Wut hattest Du beim Schreiben des Songs?
Sehr sehr viel. Es ist für mich unerträglich, dass so viel Leid von der Machtgierigkeit einer einzelnen Person ausgeht. Es ist nicht ein Land, oder eine Regierung, die in den Krieg gezogen ist, sondern ein einziger Mensch. Und genau das hatten wir leider so oft in der Geschichte der Menschheit. Für mich ist dieser Krieg – wie eigentlich alle Kriege! – absolut Sinn befreit und hat nur den Zweck das kranke Ego dieses Mannes zu polieren.
Warum haben Sie keinen Song über den ukrainischen Präsidenten Selenskyi gemacht?
Eine gute Idee! Bin ich noch nicht drauf gekommen. Wahrscheinlich, weil das Unverständnis und die Wut auf Putin noch größer ist, als die Bewunderung zu Selenskyi, der einen so unfassbar guten Job macht und meine absolute Bewunderung bekommt. Wut muss raus und kanalisiert werden. Für mich in Form von Liedern, deshalb ist auch mein Anti-Putin-Song entstanden.

Was sagen Sie zu Vergleichen mit Gregor Meyle? Musikalisch und optisch. Können Sie damit leben?
Da kann ich sehr gut mit leben. Ich habe gelernt, dass die Menschen, und gerade die Deutschen,gerne alles in Schubladen packen. Ich bin selbst überhaupt nicht so, gerade was Musik angeht. Ich bin zu 100 Prozent ich und mache Musik, die Ich fühle, ohne dabei irgendwen zu kopieren. Auch wenn meine Musik immer mal wieder in die Rubrik „deutscher Schlager“ geschoben wird, entlockt es mir nur ein kleines Lächeln und ich denke mir „na gut…wenn es für euch Schlager ist, dann ist es für euch halt Schlager!“
Ist „Leckt mich am Arsch“ mit einer Priese Stoppok‘scher Ironie entstanden? „Die Plattenfirmen sagen ich bin abgebrannt“…
Während des Produktionsprozess des neuen Albums dachte ich total oft: Wie geil ist das, dass ich einfach machen kann, und sagen kann was mir Spaß macht. Auch wenn es niemand da draußen gut finden wird, ich finde es jetzt gerade gut und will es so.
Der Refrain zu „Leckt mich am Arsch“ ist so herrlich bescheuert und besteht nur aus dieser einzigen Zeile, die auch noch in sich so herrlich auf den Punkt bringt, wie bescheuert der Refrain ist. Ich habe mich dann kurz gefragt: „Kann ich das machen?“ Bevor ich eine Antwort auf diese Frage hatte, sagte ich mir “Na klar kann ich das machen. Es ist ja niemand da, der es mir nicht erlauben würde. Keine Plattenfirma oder irgendwer anderes.“
„Bier ist mein Leibgericht“ ist eine humorige Hommage an das Getränk. Haben Sie eine Anekdote parat, die Sie mal im Suff oder angetrunken erlebt haben?
Oh, viel zu viele! Die behalt ich lieber für mich! Aber um Suff geht es in dem Song auch gar nicht. Der Song ist eine Liebesgeschichte an den kulinarischen Genuss des herrlichen Getränks. Ich sitze manchmal vor einem frisch gezapftem Bier und schaue es mir an und nehme den ersten Schluck und denke mir: „Wie konnten die Menschen nur so ein unfassbar leckeres, frisches, perliges, herb-feines Getränk erfinden?“ Um diesen Gedanken geht es in dem Song.
Warum spielen Sie nicht viel live? Eine Tour zum neuen Album gibt es nicht…
Für mich ist es sehr schwierig meine Musik live umzusetzen. Eine Tour mit Band wäre sehr aufwendig und würde die Kosten kaum wieder einspielen. Ich habe die vergangenen zehn Jahre aus diesem Grund sehr viel Solo mit Akustikgitarre gespielt.
Das macht mir zwar Spaß, aber es macht auch einsam. Denn eigentlich spiele ich gerne mit anderen Musikern zusammen. Mir macht die Studioarbeit gerade mehr Spaß, dort kann ich mich verwirklichen und das machen, was mir Spass macht. Live kann ich das aus oben genannten Gründen oft leider nicht.
Nützliche Links zum Thema Sebel
- Auf der Website von Sebel geht es neben Musik auch Fotografie & Film
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