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Joachim Witt - Interview mit einer Lichtgestalt (c) Franz Schepers
Joachim Witt – Interview mit einer Lichtgestalt (c) Franz Schepers

Viele kennen Joachim Witt durch seinen Neue-Deutsche-Welle-Hit „Goldener Reiter“ aus dem Jahr 1981. Das Lied „Die Flut“, ein Duett mit dem Hamburger Synthie-Pop-Sänger Peter Heppner von 1998 war mit über 900.000 verkauften Einheiten Witts größter kommerzieller Erfolg. Der inzwischen 74-Jährige ist ein Chamäleon in der Musikwelt. Der Journalist Reinhard Franke sprach vor der Tour mit Witt.

Joachim Witt im Interview: Ein Ausflug in die Gedankenwelt meiner Fans

In der Vergangenheit trat der gebürtige Hamburger beim Wacken Open Air auf, war aber auch schon bei Florian Silbereisen zu Gast. Zudem ist Joachim Witt zu einem Held in der Gothic-Szene geworden. Am 15. September erscheint sein neues Album „Der Fels in der Brandung“. Im Interview mit dem Journalisten Reinhard Franke spricht er über die neue Platte, seine Vorliebe für TikTok und seine Wandelbarkeit.

Joachim Witt ist eine Lichtgestalt der deutschen Kulturszene. So beginnt der Pressetext zum neuen Album. Sehen Sie sich als Lichtgestalt?

Wenn andere es so sehen wollen, warum nicht? Ist positiv aufgeladen. Ich fasse es mal als Kompliment auf, halte aber gebührenden Abstand.

Sind Sie der Franz Beckenbauer der Musikszene? Ihn bezeichnen alle als Lichtgestalt des deutschen Fußballs.

Oh, wieder so ein Vergleich! Wo Licht ist, ist auch Schatten. So auch bei mir, aber es hört sich erst einmal gut an. Was uns sicher verbindet, ist der Fußball, aber da bin ich nicht allein, oder?

Ohne die Liebe verkümmern wir

Joachim Witt
Ihre Wandelbarkeit hat Sie immer ausgezeichnet. Viele kennen Sie durch Ihren Hit „Goldener Reiter“ aus der NDW-Zeit, doch Sie sind viel mehr. Erklären Sie uns bitte das Chamäleon Joachim Witt.

Die Wandelbarkeit ist sicher eine Begabung. Ich habe es nicht trainiert, es ist mir angeboren. Es kann auch ein Fluch sein, wenn du dadurch ständig Fans verlierst und neue dazu gewinnen musst! Aber der Reiz des Neuen überstrahlt für mich alles.

Stört es Sie, dass die breite Masse nur „Goldener Reiter“ mit Ihnen verbindet?

Hat sich mit der Flut tatsächlich nur marginal verändert, das stimmt, aber ist doch schön, wenn man als Künstler überhaupt irgendwo festgemacht werden kann, oder? „Goldener Reiter“ ist halt schon etwas Herausragendes, inhaltlich sowie vom Sound – und immer noch auf der Höhe der Zeit. Er ist wohl ein Evergreen geworden und ich fühle mich damit wohl.

Sie sind in der Vergangenheit beim Wacken Open-Air aufgetreten, aber auch bei Florian Silbereisen. Zudem sind Sie ein Held in der Gothic-Szene (Meraluna-Festival) und haben jüngst Ihre TikTok-Karriere entdeckt. Sie sind also ein Garant für Vielseitigkeit, Genre-Wechsel und Stil-Mischungen. Wie sehen Sie es?

Ich setze mich für das ein, was mich gerade besonders interessiert und das ist nicht an eine bestimmte Ausdrucksform gebunden. Ich liebe musikalische Ausflüge und denke nicht in Formaten, das wäre für mich eher langweilig und setze deshalb keine künstliche Grenze.

Wie kam es zur Liebe für TikTok?

Naja, Liebe ist etwas übertrieben. Es ist eine weitere Möglichkeit meine Fans zu erreichen und etwas Kurzweiliges anzubieten. Es macht mir Spaß zu sehen, wie die Reaktionen sind. Für mich ist es wie ein Ausflug in die Gedankenwelt meiner Fans.

Joachim Witt - Interview mit einer Lichtgestalt (c) Franz Schepers
Joachim Witt – Interview mit einer Lichtgestalt (c) Franz Schepers
Ihr neues Album trägt den Titel „Der Fels in der Brandung“. Hätte es keine treffendere Metapher für Sie geben können?

So wie: Der alte Mann und das Meer? Ach, das passt schon. Ich fühle mich wohl damit. Es muss ja keine Serie werden, wie bei Bayreuth 1/2/3 (Witts Album-Triologie aus den Jahren 1998, 2000 und 2006, d. Red.)

Ohne die Liebe verkümmern wir

Joachim Witt
Sie haben Höhen und Tiefen durchlebt und dabei Ihre künstlerische Integrität fortwährend bewahrt. Was war der persönliche Tiefpunkt und was ein absolutes Highlight?

Tiefpunkt war der Titel: „Ich glaub, er wird steif“. wWeil der Titel mir irgendwann mega peinlich war. Des war die Schlechteste meiner Kompositionen, aber ich habe es verkraftet. Ein absolutes Highlight war meine Zeit in Portugal. Das Land hat für mich etwas Magisches. Ein Gefühl, das zeitweise alle negativen Einflüsse vergessen lässt.

„Schwör mir“ war die erste Single-Auskopplung aus dem neuen Album und hat gezeigt, worauf sich Ihre große Fangemeinde und alle darüber hinaus freuen können: Eine monumentale, eindringliche Hymne über die Sehnsucht nach ewiger Liebe. Sie verarbeiten darin auch Ihre eigenen, teils schmerzhaften Erfahrungen. Können Sie sich da mal emotional öffnen?

Den Wunsch nach der ewigen Liebe tragen wahrscheinlich die meisten von uns Menschen in sich. Diese Sehnsucht ist auch ein wichtiger Antriebsmotor für das tägliche Leben. Ohne die Liebe verkümmern wir geistig und körperlich. Das ist meine Überzeugung und ich meine damit nicht nur die Liebe im erotischen Sinne.

TikTok-Liebe? Etwas übertrieben

Joachim Witt
Es ist von einem neuen Sound die Rede. Was ist das Besondere an Ihrem neuen Sound?

Der Sound ist etwas leichter, frischer, aber dennoch groß und eindringlich.

Mit dem Song „Signale“ zeigen Sie sich politisch, selbstkritisch und absolut am Puls der Zeit. Wie betroffen macht Sie gerade die politische Schräglage in der Welt? Deutliche Signale der Ampel bleiben aus.

Vieles wird gerade auf unserer Erde politisch neu geordnet und mein Ratschlag wäre, sich endlich von dem Block Denken zu verabschieden. Es gibt so viele natürliche Herausforderungen, die nach Einigkeit schreien. Dem müssen sich alle gemeinsam stellen und systemübergreifend Antworten gefunden werden.

Lichtgestalt? Warum nicht?

Joachim Witt
Ihr weibliches Pendant in der Musikwelt ist Marianne Rosenberg, die Ikone in der Pop- und Schlagermusik. Nun ist sie beim Song „In unserer Zeit“ Ihre Duett-Partnerin. Sie hat in ihrer Karriere ähnlich wie Sie viele verschiedenen musikalischen Einflüsse in ihren Songs verarbeitet. Wie sehen Sie Marianne?

Sie ist eine Künstlerin, die mich seit meiner frühsten Jugend im Kopf begleitet hat. Ihre Stimme, der musikalische Ausdruck, haben mich immer sehr beeindruckt.

Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? Sind Sie das Duo Infernale?

Oh, das glaube ich nicht. Wir sind eher das Duo Romantica! (lacht) Ich habe Marianne gefragt, weil es mir in den Kopf kam und den Titel geeignet fand. Sie sagte zu und zack, so schnell kann es gehen.

Der Song „In unserer Zeit“ ist ein starkes musikalisches Manifest, das für das Miteinander statt das Gegeneinander steht. Ein Lied, das eine positive Botschaft für die Zukunft vermittelt. Eine einzigartige Hymne also für eine bessere Welt?

So sollte es gesehen werden.

Wandelbarkeit ist mir angeboren

Joachim Witt
Es gibt auf der neuen Platte auch die typischen, provokanten Töne von Ihnen. Der Titel „Propaganda“ klingt politisch, ist es aber nicht. Da steckt viel Selbstironie drin, oder?

So ist es. Propaganda ist ja eines der Schlagworte unserer Zeit und bedeutet ja eher. Ich weiß nicht mehr, wem ich glauben soll. So haben wir das Ganze mal anders dargestellt. Runtergebrochen auf eine Beziehung zweier Menschen.

In „Revolution“ wird gerockt, in „Träume im Gegenwind“ oder „Bäume“ wird eine fast filmmusikalische Weite erzählt. Was ist damit gemeint?

Eine thematische Abwechslung, die dem Album sehr guttut und die es „rund“ macht

Auf der eigentlichen Album-Tour kommen Die nur in vier Städte. Warum?

Für mich sind es Test-Konzerte, um zu sehen, wie das neue Album angenommen wird. Wenn es gut läuft, sind zusätzliche Termine geplant.

Autor: Reinhard Franke

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Von Wildwechsel

Online-Redaktion des Printmagazin Wildwechsel. Wildwechsel erscheint seit 1986 (Ausgabe Kassel/Marburg seit 1994). Auf Wildwechsel.de veröffentlichen wir ausgewählte Artikel der Printausgaben sowie Artikel die speziell für den Online-Auftritt geschrieben wurden.

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