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Schuke-Orgel in lutherischer Pfarrkirche Marburg (c) Wikimedia Commons Tilmann Spaeth
Die imposante Schuke-Orgel erklingt jeden Samstagabend zur Stunde der Orgel in der Lutherischen Pfarrkirche Marburg | (c) Wikimedia Commons | Tilmann Spaeth

(Marburg)Ich glaube, die Stunde der Orgel hat die Stärke, dass sie den Menschen etwas Gutes geben kann.“ beschreibt Ka Young Lee, die Organistin der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien. Und sie hat recht, denn wie oft nimmt man sich schon eine Stunde Zeit, um einfach mal ruhig zu werden und zuzuhören? Eine Stunde Auftanken in schnelllebigen Zeiten.

Am 15.8.2020 konnte die traditionsreiche Reihe mit einem Konzert von Ansgar Schlei endlich wieder weitergehen.

Die Lutherische Pfarrkirche St. Marien prägt seit jeher das Marburger Stadtbild | (c) Wikimedia Commons
Die Lutherische Pfarrkirche St. Marien prägt seit jeher das Marburger Stadtbild | (c) Wikimedia Commons

Traditionsreiche Stunde der Orgel kann endlich wieder weitergehen

Am Samstagabend stand die Pforte der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien endlich wieder offen. Mit seinem markanten schiefen Kirchturm prägt der gotische Bau das Stadtbild auf unnachahmliche Weise. Umgeben von uralten Fachwerkhäusern und verwinkelten Gässchen ragt er seit dem 13. Jahrhundert mitten aus der Marburger Oberstadt.

Seit 1968 ertönt die imposante Schuke-Orgel im Kirchenschiff. Ebenso lange findet bereits die beliebte Stunde der Orgel statt. Eine Konzertreihe, welche Organisten von nah und fern nach Marburg holt und damit jeden Samstag aufs neue die Kirchenbänke füllt. Ungefähr 50 bis 200 Besucher kommen dann in die Kirche, darunter viele regelmäßige Orgelfreunde.

Musikalisch ist die Stunde der Orgel breit aufgestellt. Sowohl klassische Orgelmusik aus den letzten Jahrhunderten, als auch zeitgenössische Stücke werden gespielt. Ebenso ist die Orgel nicht immer allein zu hören, sondern wird zu besonderen Anlässen von anderen Instrumenten oder Chorgesang unterstützt.

Das besondere Merkmal: die Stunde der Orgel v und wird allein über Spenden von Zuhörerenden und Orgelfreunden finanziert.

In all der Zeit ist die Stunde der Orgel niemals ausgefallen, betont Ulrike Paulus-Jung, Kirchenvorsteherin und Organisatorin der Veranstaltung im Gespräch mit Wildwechsel. Und dann kam Corona und sorgte für die erste längere, ungeplante Pause. Umso fröhlicher waren alle Beteiligten, dass es am 15.8. endlich wieder losgehen konnte.

Sie organisiert die Stunde der Orgel seit vielen Jahren - Kirchenvorsteherin Ulrike Paulus-Jung | (c) Ulrike Paulus-Jung
Sie organisiert die Stunde der Orgel seit 2007 –  Kirchenvorsteherin Ulrike Paulus-Jung | (c) Ulrike Paulus-Jung

Weseler Domkantor Ansgar Schlei spielt Konzert in der Lutherischen Pfarrkirche

Ich hätte so richtig „Juhu!“ schreien können!

Erzählt die kurzhaarige Kirchenvorsteherin und meint den Moment, als sie zum ersten Mal wieder nach vorne an das Lesepult ging, um die Zuhörenden zu begrüßen. 50 Orgelfreunde waren gekommen, um das Konzert des Weseler Domkantors Ansgar Schlei mitzuerleben.

In einer kurzen Ansprache stellte Ulrike Paulus-Jung den Organisten vor, erklärte die herrschenden Corona-Regeln und lud zu den kommenden Veranstaltungen der lutherischen Pfarrkirche ein. Dann begann Ansgar Schlei sein knapp 45 Minuten dauerndes Konzert.

Ansgar Schlei ist Konzertorganist, sowie Kantor am Willibrordi-Dom zu Wesel und Kreiskantor im Kirchenkreis Wesel. Der ausgezeichnete Organist kann auf eine langjährige kirchenmusikalische Vita zurückblicken. In seiner Konzerttätigkeit ist er regelmäßig in ganz Deutschland und im angrenzenden Ausland zu hören.

Am 15.8. eröffnete Schlei den Abend mit den vollen Klängen des »Praeludium in G Dur« von Nicolaus Bruhns. Dem bekannten norddeutschen Komponisten und Orgelvirtuosen des 17. Jahrhunderts. Darauf folgten Werke des niederländischen Komponisten Willem Mudde (1909-1984) und des zeitgenössischen Kanadiers Denis Bédard

Ergänzend laß Ulrike Paulus Jung das Gedicht: »Was brauchst du?« von Friederike Mayröcker

Kirchenvorsteherin Ulrike Paulus-Jung begrüßte die Zuhörer zur Stunde der Orgel | (c) Julia Leibundgut für Wildwechsel
Kirchenvorsteherin Ulrike Paulus-Jung begrüßte die Zuhörer und laß ein Gedicht | (c) Julia Leibundgut für Wildwechsel

Meditativ, geistlich und inspirierend – Die Stunde der Orgel beschenkt ihre Zuhörer

Man tut es viel zu selten – eine Stunde ruhig werden, zuhören, abschalten. Ganz bei sich sein, vielleicht beten oder meditieren. Den Alltagsstress hinter sich lassen und Kraft  sammeln für die anstehende Woche. So kann man sich fühlen, wenn man sich als Zuhörende auf die Stunde der Orgel einlässt.

Die Stunde der Orgel ist nicht nur eine Konzertreihe, sondern eine musikalische Wochenschlussandacht ohne Worte.

Beschreibt es die zierliche Ka Young Lee, seit 2017 Organistin der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien, im Gespräch mit Wildwechsel. Und ihre Augen leuchten. Die Orgel ist ihr Leben. Es gibt vieles, was sie daran begeistert. Wie viele Marburger liebt sie Johann Sebastian Bach. Aber eigentlich mag sie alles von Barock bis zeitgenössische Musik.

Für sie sind es neben der reinen Musik vor allem die geistlichen Inspirationen, welche die Stunde der Orgel ausmachen. Dabei spiele der Spielraum eine besonders wichtige Rolle: Die altehrwürdige Pfarrkirche mit ihrer besonderen Atmosphäre, dem prachtvollen Altar, den gotischen Decken und natürlich der imposanten Schuke-Orgel.

Diese Atmosphäre und die Möglichkeit zur geistlichen Meditation sei auch das gewesen, wonach die regelmäßigen Besucher während der Corona-Pause Sehnsucht gehabt haben.

Ka Young Lee (c) Ka Young Lee
Ka Young Lee studierte Kirchenmusik, mit Hauptfach Orgel und besitzt mehrere Abschlüsse renommierter Musikhochschulen. Sie ist Organistin der Kurhessischen Kantorei Marburg und seit 2017 die Organistin der Lutherischen Pfarrkirche | (c) Ka Young Lee

Vielfalt und Originalität zeichnen die beliebte Konzertreihe aus

was mich an der Orgelmusik so fasziniert, ist diese Klangvielfalt. Es ist die Kunst des Organisten, dass er die über dreitausend Pfeifen so einsetzt, dass da ganz unterschiedliche Szenerien und Eindrücke entstehen. 

Weiß Ulrike Paulus Jung zu berichten. Sie vergleicht die Orgel mit einem Hochofen. Jede Menge Energie, gemischt mit menschlichem Handwerkszeug und geschmiedet unter den Händen und Füßen des Organisten. Wie dies alles zusammenkommt, sei für sie jedes Mal ein Wunder.

Und dann berichten die beiden Frauen, was die Vielfalt der Stunde der Orgel als Veranstaltung noch ausmacht. Viele Abende stehen unter einem bestimmten Thema. Es gibt unterschiedlichste Formate, bei denen auch mal andere Instrumente oder Gesang zu hören sind.

Nächste Woche, am 22.8.2020 soll der 335. Geburtstag von Bach mit einem Festkonzert von Ka Young Lee nachträglich gefeiert werden.

Außerdem gibt es spezielle Abende für Kinder und Familien, wie die anstehende Veranstaltung »Orgelmaus«. Das erste Januarkonzert ist des Weiteren jedes Jahr der Tanzgeschichte gewidmet. Organisiert mit dem Trierer Kirchenmusiker Uwe Maibaum, findet dann ein Tanzabend zu Orgelmusik auf dem Kirchhof statt. Um nur einige zu nennen.

Blickt man in die lange Geschichte der Stunde der Orgel, könnte man vieles Weitere aufzählen. Kein Wunder also, dass es sich bei ihr um eine Marburger Institution handelt. Am Samstagabend um 18 Uhr findet deshalb keine vergleichbare Veranstaltung statt und für Viele ist der Abend ein fixer Termin, berichtet Ka Young Lee.

Ansgar Schlei erhielt begeisterten Applaus für sein Konzert bei der Stunde der Orgel am 15.8. | (c) Julia Leibundgut für Wildwechsel
Organist Ansgar Schlei erhielt begeisterten Applaus für sein Konzert bei der Stunde der Orgel am 15.8. | (c) Julia Leibundgut für Wildwechsel

Die Stunde der Orgel soll für Alle sein

Ein wichtiger Wesenszug der Stunde der Orgel ist, sie soll für Alle sein.

verdeutlicht Ulrike Paulus-Jung. Daher kosten die Konzertabende keinen Eintritt. Da die Musiker dennoch ein Honorar brauchen, finanziert sich die Veranstaltung durch Spenden der Zuhörenden. Man sollte sich vielleicht bewusst sein, dass es sich dabei trotzdem nur um einen Anerkennungsbetrag handelt, so Paulus-Jung.

Seit 2011 gibt es außerdem den Förderkreis Orgelmusik, welcher sich ebenfalls durch Spenden finanziert. Er setzt sich, unter anderem, für die Erhaltung und Erweiterung der berühmten Schuke-Orgel ein, ebenso wie für besondere Orgelkonzert-Projekte und stiftet Orgelstipendien. Mehr Infos und wie man den Förderkreis unterstützen kann, erfährt man auf der Website der Veranstaltung.

Ein Honorar der besonderen Form macht für die Organisten gewiss die Anerkennung der Zuhörenden aus. Auch am 15.8. konnte man erleben, der Applaus und die Rückmeldung taten Ansgar Schlei wohl. Die besondere Stimmung, in welche die Kirche an den Abenden versetzt wird, belebe die Zuhörenden und die Organisten wechselseitig, erklärt Paulus-Jung.

Auch die Stunde der Orgel unterliegt in der nächsten Zeit den Corona-Bestimmungen

Die kommenden Abende sind auf 120 Personen beschränkt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, aber jeder Besucher muss einen Zettel mit Kontaktdaten ausfüllen. Auch herrscht im Vorraum und im Kirchgang Maskenpflicht. Am Platz darf die Maske abgenommen werden.

» weitere Infos über die Stunde der Orgel findet ihr hier.

 

Das kommende Programm der Stunde der Orgel

 

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