4/5 - (13 votes)

 Lesedauer: 5 Minuten
Auch die Konzerte im A.R.M. zogen zahlreiche Feierwütige an. Ist damit nun tatsächlich bald Schluss?

Laut einem Artikel des Webmediums Brauser24 soll das A.R.M. in Kassel über 1,8 Mio. Euro Schulden angesammelt haben. Droht dem beliebten Kultur- und Szeneclub, in dem gern gefeiert wurde und in dem auch zahlreiche Konzerte stattfanden, nun tatsächlich die Insolvenz, wie der Artikel es darstellt? Das Thema bewegt jedenfalls derzeit viele Fans und Aktive der Partyszene in Kassel.  So nehmen auch Veranstalter intensiv zu dem Thema.

Zuvor hatte es laut Brauser 24 noch Benefiz-Partys wie “Das große A.R.M. drücken” im Januar gegeben, die das Finanzloch stopfen sollten. Doch anscheinend waren diese und weitere Veranstaltungen wie zum Beispiel das Hoppla! Festival im Mai nicht ausreichend. Momentan soll versucht werden, ein Insolvenzverfahren zu verhindern.

Mit “außergerichtlicher Einigungsversuch” ist das Schreiben einer Berliner Kanzlei überschrieben, das in diesen Tagen auf den Schreibtischen auch der Kasseler Gläubiger landet. Ziel ist die Vermeidung des Insolvenzverfahrens, das – auch daran lässt das Schreiben keinen Zweifel – nach derzeitigem Schuldenstand Ende September eröffnet werden müsste.

– Quelle: Brauser24.de

Laut des Schreibens der Kanzlei soll die Ursache für die finanzielle Schieflage des A.R.M.  bei den überkalkulierten Baumaßnahmen auf dem Gelände liegen, unter anderem der Ausbau des neogotischen Weinkellers unter dem Club. Die 2013 umgesetzte Umgestaltung zur Partylocation “Weinkirche” schlug mit 1,5 Mio. Euro zu Buche, so Brauser 24.

Verursachend […] sollen “die hohen Investitionen in das mittlerweile wertausschöpfend belastete Grundstück sein, die den kalkulierten Finanzmittelbedarf für die Baumaßnahmen massiv überschritten haben”

Quelle: Brauser24.de

Dann ist Kassel in Sachen Techno tot!

Auf Facebook wird die drohende Insolvenz des A.R.M. kontrovers diskutiert. Während die Mehrheit der Nutzer sich betroffen über einen möglichen finanziellen Zusammenbruch des Clubs zeigt, wie Vanessa*: “Traurig aber wahr!” oder Colin: “Na wenn das so kommen sollte ist Kassel in Sachen Techno tot.”, wirken andere wenig betroffen und amüsieren sich darüber. So schreibt Michael seinem Freund Andreas: “dein druffi Schuppen schließt wohl bald” und Thomas findet die Schuld bei seinem Freund Jan: “zahl mal deine Rechnungen”. Jennifer hingegen mahnt, nicht zu gleich schwarz zu sehen: “Also Insolvenz heißt ja nicht gleich zu!!! Wenn sich ein Investor findet hat man gute Chancen es zu erhalten. Aber wäre trotzdem schade.”

[quote]”Insolvenz heißt ja nicht gleich zu!”[/quote]

Jürgen Buchhauer bietet Hilfe an

Auch der Leiter des “DJ X Newcomer-Projekt Kassel” Jürgen Buchhauer äußerte sich zur drohenden Insolvenz des A.R.M. Obwohl er das derzeitige Management des Clubs “kritisch” sieht, hofft er auf den Erhalt des Lokals als “kulturellen Mittelpunkt der Kassler Techno- und Feierszene”. Jürgen Buchhalter weist auf die vermehrten Kritiken der Gäste hin, auf die seiner Meinung nach nicht eingegangen wurde. Er schlägt eine Crowdfunding-Aktion vor und bietet mit Nachdruck seine Hilfe an:

Enttäuscht bin ich vor allem von einer “gewissen Arroganz”, die sich darin äußert, das man versucht wie auf einer „Insel der Glückseligkeit“ zu leben, seinen „Standortvorteil und seine Vormachtstellung“, als wichtigstem und größtem Club Kassels auszuschöpfen und bisher (zumindest nicht für mich nicht erkennbar) nur unzulänglich bereit war das „Miteinander“ zu pflegen.

Aber wer weiß, vielleicht setzt gerade jetzt ein Nachdenken ein, vielleicht gibt es ja auch noch einen Ausweg aus der Krise – oft bedarf es der Not um ernsthaft darüber nachzudenken, welche Aufgabe und welche Chancen man hatte und verspielt hat, welche (Gesamt-)Verantwortung als kultureller Mittelpunkt neben der Wertschöpfung und dem Kommerz wahrzunehmen war.

Ich jedenfalls bin bereit zu helfen, wenn ich das kann (auch wenn gerade der Club ARM z. B. das “DJ X Newcomer-Projekt Kassel” nicht nur ignoriert sondern offensichtlich blockiert hat.
Ich biete zum dritten mal an, mich am 08.09.2018 von etwas „Anderem“ zu überzeugen, wenn die „New DJs on the Block Vol. 3“ im “Kleiner Onkel” stattfindet, obwohl sie nach meinem Wunsch im September im Club ARM hätte stattfinden sollen).”

Phillip Hoffmann (Veranstalter: e-lectribe, colapse) schrieb uns zum Thema:

“Also grundsätzlich bewundere ich Ralph Raabe für seinen Mut und seine Ideen, die er nach dem Kauf des ARM-Areals umgesetzt und finanziert hat. Ich persönlich kenne viele der Entwicklungen aus erster Hand und weiß auch, dass zwischen Plankosten und letztendlichen Ist-Kosten ein nicht unerhebliches Delta entstanden ist, was sich bis zum heutigen Tag immer mit durchgezogen hat.

Leider muss man aber auch sagen, dass das nächtliche Geschäft und die kaufmännische Führung des Clubs, auch nach dieser sehr großen Investition, nicht immer ganz sauber und professionell getrennt wurde, sodass es dort leider auch das ein oder andere Defizit gab.

Inwiefern dies nun mit Schuld an der aktuellen Schieflage des Ladens hat, kann ich nicht beurteilen. Ich denke aber ein besser ausgebildetes Management hätte dem Club auf der kaufmännischen Seite definitiv vom ersten Tag an sehr gut getan. Auch wenn alle Beteiligten am und im ARM immer mit Leib und Seele hinter dem Laden standen und stehen, denke ich doch, dass man mit dem Umbau der Weinkirche einfach als Unternehmen eine Größenordnung erreicht hat, die eine stärkere Professionalisierung an einzelnen Stellen gebraucht hätte.

Nicht zuletzt trägt aus meiner Sicht aber auch die Kasseler Szene eine große Mitschuld an einem Teil des finanziellen Defizits, denn die Gästelistenmentalität und der Hang dazu, mehr zu Hause zu feiern und sich hinter in den sozialen Medien trotzdem als fester Teil der Szene zu präsentieren, wird immer ausgeprägter. „Homedrinking is killing Clubs“ und da ist besonders das Verhalten des regionalen Publikums sehr stark kontraproduktiv geprägt.

Auf der einen Seite meckert man, dass in Kassel nichts los sei, ist aber dann mal was los, sucht man besonders die Leute, die vorher noch gemeckert haben, vergebens. Es kann ja nicht sein, dass die Leute immer erst dann etwas vermissen, wenn es weg ist, oder droht weg zu brechen. Jedes Event und jeder Club braucht einen stetigen Support der Szene und da sollte auch jeder bereit sein, den Eintritt zu zahlen und auch ein paar Drinks im Club zu verzehren. Über permanente Gästeliste und zu Hause saufen finanziert sich nunmal kein Betrieb vernünftig.

Für Kassel und Nordhessen wäre es ein herber Schlag, wenn in der Jugendkultur ein solcher Hotspot wie das ARM wegbricht und seinen Betrieb einstellen muss. Über mehrerer Generationen hat der Club in immer wieder wechselnden Gewändern unterschiedliche unterschiedliche Szenen und Subkulturen angesprochen und unterhalten. Ich persönlich fände es sehr schade, wenn meine Kinder diese Erfahrung nicht auch in ein paar Jahren noch in der Werner-Hilpert-Straße machen könnten und nach der Party,mit perfekter Lage am Hauptbahnhof, einfach wieder mit der Bahn nach Hause fahren könnten, damit ich sie zu Hause im selben nervigen Ton fragen kann, wo die die Nacht über gewesen bin, so wie es meine Eltern auch bei mir früher getan haben 😉

Link zum Artikel auf der Brauser24-Webseite

Webseite des A.R.M. Kassel

Jürgen Buchhauer bei Facebook

Und was ist sonst so los in Kassel?

*Die Namen wurden von der Redaktion geändert.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.