Im April 2005 befragten wir Charlotte Roche im Interview zu Staubsaugern, Sex und Sarah Kuttner.
Wildwechsel: Wo um Himmels Willen findet man eine solche Doktorarbeit?
Charlotte Roche: Die geisterte im Freundeskreis rum und lag ein Jahr lang im Schulschnellhefter bei uns in der Schublade.
Wir hatten aber nie Zeit reinzugucken. Irgendwann, Freunde oder Bekannte waren da und wir waren ziemlich betrunken, haben wir die Doktorarbeit vorgelesen und alle haben sehr gelacht. So wurde die Idee geboren.
Wildwechsel: Wie kam es zu der Idee mit der Lesung?
Charlotte Roche: Wie soll man das denn sonst an den Mann Bringen? Man kann das ja nicht abfilmen oder als Theaterstück aufführen. Leider. (lacht)
Wildwechsel: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Christoph Maria Herbst?
Charlotte Roche: Zu der Zeit lief „Lady Kracher“ im Fernsehen und wir dachten: Der scheint ein schöner Geistesgestörter zu sein. Und das stimmt auch. (lacht) Persönlich kannte ich Christoph gar nicht, wir haben den einfach so aus der Ferne gefragt, ob er Lust dazu hätte. Wir dachten es ist ganz wichtig einen männlichen und weiblichen Part auf der Bühne zu haben, um auch das ganze Publikum bedienen zu können.
Wildwechsel: Was fasziniert dich an dem Thema?
Charlotte Roche: Es ist ein extrem cooles Thema. Wenn man ganz ganz betrunken ist geistert so was immer Mal in Gesprächen rum und ein paar Mal im Jahr arten die Gespräche dann in Richtung Sexunfälle aus. Das interessiert doch irgendwie jeden, aber über das Thema wird immer nur getuschelt und man weiß nie, ob das alles so stimmt. Das ist so was wie die düstere Seite der Sexualität und darüber redet man ja sehr gerne, denn das ist ja sehr lustig.
Wildwechsel: Gibt es in deinem Bekanntenkreis Männer, die ähnliche Erfahrungen mit Staubsaugern gemacht haben?
Charlotte Roche: Nein. So schlimme zum Glück nicht. Seitdem ich mich mit dem Thema beschäftige gibt es aber schon einige Männer in meinem Umfeld, die mir erzählen, dass man mit 15, 16, 17 seinen Schwanz überall reinsteckt und dazu gehört halt auch ein Ansaugrohr von einem Staubsauger. Aber die haben zum Glück keinen Vorwerk Kobold benutzt. Man denkt, das wäre wie Blasen und man hätte eine tolle Blasemaschine entdeckt, das ist aber nur so ein ganz festes Ansaugen und das tut eher weh, als dass es toll ist. Wurde mir erzählt.
Wildwechsel: Weißt du, welche Haushaltgeräte von Frauen zur Masturbation benutzt werden?
Charlotte Roche: Ich glaube, dass das auch viele Frauen ausprobieren. Das Ansaugrohr kann man doch auch auf die Muschi setzen, so dass die Schamlippen angesaugt werden. Aber ich denke das ist derselbe Effekt. Man glaubt, dass wäre ganz toll und dann ist man enttäuscht, weil es wehtut.
Wildwechsel: Das Thema der Lesung ist ja schon reichlich skurril. Ist es das Publikum auch?
Charlotte Roche: Ne. Ich habe den Eindruck, das sind ganz normale Menschen. Ein paar Punks vielleicht und ein paar extrem geschminkte ädchen. Auch ältere Paare. Die sehen aus wie ein normales, arbeitendes Volk. Und die haben alle riesigen Spaß. Was auch so etwas ist, was ich nie gedacht hätte. Wir dachten, so einen Humor hat kaum jemand und haben uns auf ein kleines Publikum eingestellt. Aber es finden doch sehr viele Leute lustig und die Sache wird immer größer und größer.
Wildwechsel: Was waren die härtesten Reaktionen beim Publikum?
Charlotte Roche: Wir haben sehr viele Ohnmachten. Oft sogar, bevor das erste Bild kommt. Das heißt: Allein bei den detaillierten Beschreibungen der Verletzungen kriegen manche schon zu viel.
Wildwechsel: Wie geht es dir, wenn du von den Verletzungen berichtest oder die Darstellungen betrachtest?
Charlotte Roche: Wenn ich ganz genau zuhöre und mir alles ganz genau vorstelle wird mir manchmal auch noch mulmig. Dann reiße ich mich zusammen und trinke ganz viel Wasser, dann geht es wieder.
Wildwechsel: Reagieren Frauen auf das Thema anders als Männer?
Charlotte Roche: Ja, aber Hallo! Die Frauen lachen einfach durchgehend. Ab und zu haben wir auch so Frauen im Publikum, die denken, wenn sie über kaputte Penisse lachen, ist das emanzipiert. Die meisten Frauen sind aber ganz nett und lachen den ganzen Abend durch. Also denen tut gar nichts weh. Geräusche, wie AAH, UUH, SSS kommen immer von den Männern.
Wildwechsel: Hat sich dein Verhältnis zu Haushaltsgeräten verändert?
Charlotte Roche: Natürlich. Ich muss da immer dran denken, wenn ich zum Beispiel einen Staubsauger im Schaufenster sehe. Auf einmal ist man für so ein ganz normales Thema total sensibilisiert.
Wildwechsel: Schon seit einigen Jahren wird dein Buch „Die Bärte der Proleten“ angekündigt. Worum soll es gehen und wann ist endlich damit zu rechnen?
Charlotte Roche: Ich habe einen Vertrag bei Kiepenheuer & Witsch unterschrieben und es gibt den Titel und ein Buchcover. Als Rohschnitt hatte ich es auch fertig, aber ich habe es nie zu Ende geschrieben. Ich hatte eine grobe Idee um was es gehen soll, um das popkulturelle Leben und die ganzen skurrilen Treffen mit Bono, Mick Jagger… Aber dann gab es den schweren Autounfall bei uns in der Familie, und da kam mir das alles so oberflächlich und albern vor. Deswegen habe ich die Sache erst mal auf Unbestimmt verschoben und dann nie wieder geschrieben. Als die Bücher von Dieter Bohlen und Daniel Küblböck kamen, habe ich mir gedacht jedes Arschloch schreibt ein Buch und eigentlich sollten doch nur Autoren Bücher schreiben.
Wildwechsel: Wie siehst du mit ein wenig Abstand deinen „Rausschmiss“ bei Viva?
Charlotte Roche: Für mich ist es total wichtig, wie das so im Detail gelaufen ist, damit ich mich gut fühle. Im November wurde mir gesagt, dass Fast Farward im Januar wegen schlechter Quote abgesetzt werden soll. In dieser Zeit wurde die Sendung konsequent gekürzt. Ich habe eine Stunden-Sendung aufgezeichnet und es wurden gerade Mal achtzehn Minuten gesendet. Viva hat mich meine Arbeit nicht ordnungsgemäß zu Ende bringen lassen, da bin ich in den Streik getreten und das ist bis heute so.
Wildwechsel: Sarah Kuttner ist ja noch bei Viva und bewegt sich ein wenig neben dem Mainstream. Wie stehst du zu Sarah und ihrer Sendung?
Charlotte Roche: Es freut mich für Sarah, dass sie noch da ist. Alles andere wäre ja auch sehr böse. Ich habe mich mit Sarah immer sehr gut verstanden und sie war immer meine Lieblingskollegin. Die Sarah ist schnell und schlau und heftig drauf. Ich wünsche Sarah alles Gute.
Wildwechsel: Welche Projekte hast du in Planung?
Charlotte Roche: Wir machen den ganzen Sommer noch „Penis Tour“ und dann muss ich bestimmt schon anfangen Werbung zu machen. Ich habe nämlich im letzten Herbst einen Film gedreht und der läuft im Oktober an. Der Film heißt „Eden“ und ich spiele die weibliche Hauptrolle, die Mutter eines Mädchens, das am Daun-Syndrom leidet, und deren Ehe nur mittelmäßig läuft. Hauptsächlich geht es um Essen. Eden verliebt sich in einen 140-Kilo-Mann, der ein Superkoch ist und noch nie Sex hatte. Er kocht alle Gefühle für Eden ins Essen. Sie gehen sozusagen übers Essen fremd.
Wildwechsel: Was empfiehlst du Leuten, die noch unbekannte innovative Pop- und Rockmusik kennen lernen möchten – gibt es eine Band oder einen Künstler,die du unseren Lesern besonders ans Herz legen möchtest?
Charlotte Roche: Die Menschen, die in so kleinen Vinyl-Plattenläden arbeiten, kennen sich am besten mit Musik aus und die können einen auch total gut beraten. Ich habe gerade M.I.A. entdeckt und das liebe ich zurzeit sehr.
» Das Interview führte Anne-Christin Wagner im April 2005 Charlotte Roche im Interview