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Der Tod und das Mädchen von Andonis Foniadakis | v. l. Miles L. Hunter und Anna Gorokhova, James Potter | (c) Sylwester Pawliczek
»Der Tod und das Mädchen« von Andonis Foniadakis | v. l. Miles L. Hunter und Anna Gorokhova, James Potter | (c) Sylwester Pawliczek

Ein leiser Akkord schwebt durch den Raum, gefolgt von einem dunklen Schatten, und es scheint, als würde die Zeit stillstehen – der Tanz beginnt. Mit „Der Tod und das Mädchen“ bringt das Staatstheater Kassel eine fesselnde Tanzproduktion auf die Bühne. Der Doppelabend vereint zwei herausragende Uraufführungen: Andonis Foniadakis interpretiert das berühmte gleichnamige Werk von Franz Schubert, während Eyal Dadon in „Shuv“ eine zeitgenössische Reflexion über den ewigen Kreislauf von Leben und Tod präsentiert. Live begleitet vom Staatsorchester Kassel, verbindet der Abend klassische Musik mit modernem Tanz und tiefgründiger Philosophie. Die Premiere findet am Samstag, 1. Februar, um 19.30 Uhr im Opernhaus Kassel statt.

Tanz trifft Musik: Die Verbindung von Bewegung und Klang

Die emotionale Tiefe von Franz Schuberts Streichquartett Nr. 14 d-Moll »Der Tod und das Mädchen« inspiriert seit über 200 Jahren Künstler auf der ganzen Welt. Der düstere Klang und die melancholische Thematik haben zahlreiche Choreografen, Filmemacher und Literaten fasziniert. In Kassel wird das Stück in der Bearbeitung von Gustav Mahler für Streichorchester aufgeführt, die dem Werk eine samtige, fast entrückte Klangästhetik verleiht.

Demgegenüber steht die pulsierende Minimal Music von John Adams‘ „Shaker Loops“, die in Eyal Dadons Choreografie die Idee der Unendlichkeit unterstreicht.

Die künstlerische Leitung des Abends übernimmt Viktor Jugović, das Bühnenbild stammt von Sakis Birbilis, und für die Kostüme zeichnet Anastasios Tassos Sofroniou verantwortlich.

Der Tod und das Mädchen von Andonis Foniadakis Kesi Rose Olley Dorey, James Potter | (c) Sylwester Pawliczek.jpg
»Der Tod und das Mädchen« von Andonis Foniadakis Kesi Rose Olley Dorey, James Potter | (c) Sylwester Pawliczek.jpg

Andonis Foniadakis – »Der Tod und das Mädchen«

Der griechische Choreograf Andonis Foniadakis ist bekannt für seine dynamische und energiegeladene Bewegungssprache. Mit seiner Inszenierung von „Urlicht“ begeisterte er bereits 2023 das Publikum in Kassel. Nun widmet er sich einem der bekanntesten Werke Schuberts.

Das berühmte Andante aus Schuberts Streichquartett d-Moll ist eine Vertonung des Gedichts „Der Tod und das Mädchen“ von Matthias Claudius. Darin tritt der Tod nicht als grausamer Schnitter auf, sondern als sanfter Begleiter, der dem Mädchen Trost spendet.

Der Tod und das Mädchen von Andonis Foniadakis Ensemble TANZ_KASSEL | (c) Sylwester Pawliczek
»Der Tod und das Mädchen« von Andonis Foniadakis Ensemble TANZ_KASSEL | (c) Sylwester Pawliczek

„Indem ich Schuberts Meisterwerk als Soundtrack für meine Choreografie verwende, kann ich seine reiche emotionale Landschaft erschließen und eine kraftvolle und ergreifende Erfahrung für Tänzer:innen und Zuschauer:innen gleichermaßen bieten.“ (Andonis Foniadakis)

Foniadakis’ Interpretation spielt mit Gegensätzen: Licht und Schatten, Widerstand und Hingabe, Angst und Akzeptanz. Die Tänzer:innen von TANZ_KASSEL setzen diese emotionale Spannung in kraftvolle, fast filmische Bewegungsabläufe um.

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Teaser: Der Tod und das Mädchen | Staatstheater Kassel

Der historische Kontext

»Der Tod und das Mädchen« entstand 1824, zwei Jahre vor Schuberts frühem Tod. Die düsteren Mollakkorde spiegeln seine Auseinandersetzung mit Krankheit und Vergänglichkeit wider. Die Musik wurde später von Gustav Mahler orchestriert, um den Klang für ein größeres Publikum erlebbar zu machen.

Dass ausgerechnet ein Tanzabend sich dieses Themas annimmt, ist kein Zufall: Der Tod hat seit jeher eine enge Verbindung zum Tanz, sei es im mittelalterlichen Totentanz oder in modernen Choreografien wie Pina Bauschs „Café Müller“.

INFO: Das Motiv »Der Tod und das Mädchen« thematisiert seit dem 16. Jahrhundert die Begegnung einer jungen Frau mit dem personifizierten Tod. Es findet Ausdruck in zahlreichen Kunstformen: In der Malerei durch Werke von Hans Baldung Grien (1517) und Egon Schiele (1915); in der Literatur durch Matthias Claudius' Gedicht (1775); in der Musik durch Franz Schuberts Lied (1817) und sein Streichquartett Nr. 14 (1824); sowie im Theater und Film, etwa in Ariel Dorfmans Stück (1990) und Roman Polańskis Verfilmung (1994). Das Motiv symbolisiert die Vergänglichkeit des Lebens und die Nähe von Eros und Thanatos. Mehr dazu hier!

Tanz-Uraufführung - Shuv von Eyal Dadon - Tänzerin auf dem Bild - Ann Barak | (c) Sylwester Pawliczek - 8.jpg
Tanz-Uraufführung„Shuv“ von Eyal Dadon – Tänzerin auf dem Bild: Ann Barak | (c) Sylwester Pawliczek.jpg

Eyal Dadon – »Shuv«: Eine Meditation über die Unendlichkeit

Der israelische Choreograf Eyal Dadon bringt mit „Shuv“ eine völlig neue Perspektive auf das Thema Tod auf die Bühne. Das hebräische Wort „Shuv“ bedeutet „wieder“ oder „zurück“ – ein Verweis auf den ewigen Kreislauf von Leben, Sterben und Wiedergeburt.

„Die Möglichkeit zyklischer Muster im Universum reizen unseren Verstand, den Blick auf die Endlichkeit der Lebenszustände zu werfen. Eine endliche Anzahl an Partikeln wird sich in einer unendlichen Anzahl an Mustern ihrer Anordnung im Raum letztlich wiederholen.“ (Eyal Dadon)

Die Musik von John Adams‘ „Shaker Loops“ verstärkt dieses Konzept durch ihre repetitiven, fließenden Muster. Die Tänzer:innen lassen sich von den treibenden Rhythmen leiten und erzeugen mit ihren Körpern bewegte Bilder, die an Wellen, Spiralen oder sich wiederholende Muster in der Natur erinnern.

Choreografie als Spiegel des Universums

Dadon sieht den Tanz als eine Art Meditation über die Existenz. Wo Foniadakis den Tod als Konfrontation darstellt, zeigt Dadon ihn als natürliche Fortsetzung des Lebens. In „Shuv“ gibt es keinen klaren Anfang und kein Ende – nur Bewegung.

Die Tänzer:innen durchlaufen eine Entwicklung, die von Zerstörung zu Wiederaufbau führt. So entsteht eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Frage, was bleibt, wenn wir gehen.


Tänzer:innen von TANZ_KASSEL

Die Besetzung des Abends setzt sich aus hochkarätigen Tänzer:innen zusammen:

„Der Tod und das Mädchen“

  • Anna Gorokhova / Anna Vandorpe
  • Myles L. Hunter
  • Terra Kell (Gast) / Kiley Dolaway
  • Kesi Rose Olley Dorey
  • Tse-Wei Wu / Lino Eckenstein
  • James Potter / Alessio Marchini

„Shuv“

  • Shafiki Sseggayi
  • Klil Ela Rotshtain
  • Matthias Vaucher
  • Selene Martello
  • Sophie Borney
  • Ekaterina Cheporova / Ann Barak
  • Daniel Gur / Stavros Alexandros Papadakis

Premiere und weitere Termine

Die Premiere von „Der Tod und das Mädchen“ findet am Samstag, 1. Februar 2025, um 19.30 Uhr im Opernhaus Kassel statt.

Einblicke in die Proben gibt es bereits am Donnerstag, 23. Januar, um 19 Uhr, beim „Sneak In“, einer öffentlichen Bühnenprobe.

Weitere Aufführungstermine:
  • 8. Februar
  • 5., 14., 18., 30. März (30. März: 18 Uhr)
  • 5. April
  • 3. und 11. Mai (11. Mai: 18 Uhr)

Tickets sind erhältlich an der Theaterkasse Kassel (Tel. 0561-1094-222) oder online unter www.staatstheater-kassel.de.




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Von Wildwechsel

Online-Redaktion des Printmagazin Wildwechsel. Wildwechsel erscheint seit 1986 (Ausgabe Kassel/Marburg seit 1994). Auf Wildwechsel.de veröffentlichen wir ausgewählte Artikel der Printausgaben sowie Artikel die speziell für den Online-Auftritt geschrieben wurden.

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