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Mathias Münch
Mathias Münch, beliebter Moderator der Radiosendung »Pop und weck« beim HR bekam Moderationsverbot – vorerst bis Ende des Jahres. Was hatte er gemacht? Nichts weiter, als in seiner Sendung am 12.12. 2001einen Beitrag zuzulassen, in dem auf eine andere geplante HR-Sendung hingewiesen wurde.

„Was darf Satire? Alles!“ Das war jedenfalls die Meinung von Kurt Tucholsky. Gehalten hat sich aber nie einer daran. Denn die Mächtigen reagierten meist gekränkt und setzten nur zu oft alle Hebel in Bewegung, um nicht zum „Opfer“ des Spotts zu werden. Humor und Gelassenheit? Fehlanzeige. Nun hat es den Hessischen Rundfunk erwischt.

Mathias Münch, beliebter Moderator der Radiosendung »Pop und weck« beim HR bekam Moderationsverbot – vorerst bis Ende des Jahres. Was hatte er gemacht? Nichts weiter, als in seiner Sendung am 12.12. 2001 einen Beitrag zuzulassen, in dem auf eine andere geplante HR-Sendung hingewiesen wurde.

Diese sollte am gleichen Abend im HR-Fernsehen in der Reihe „Dienstag – das starke Stück der Woche“ ausgestrahlt werden. Darin ging es um die Wahl zum „Arsch des Jahres“. Die Kandidaten: ein BSE-Rind, ein Kampfhund und Ministerpräsident Roland Koch, der sich mit seinem etwas eigenwilligen Verhältnis zur Wahrheit für diesen Titel qualifiziert hatte. Sicher keine besonders ehrenwerte Gesellschaft für den Koch – wenn man allerdings bedenkt, wie es in manchen Comedy-Sendungen der privaten Sender zur Sache geht, war dieser Polit-Klamauk doch eher harmlos.

Das sah man in der Staatskanzlei allerdings anders. Sofort wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit es zur eigentlichen „Wahl“ gar nicht erst kam und dies Sendung abgesetzt wurde. Von Seiten der CDU wurden allerhärteste Geschütze aufgefahren: Der CDU-Abgeordnete Frank Lortz verwies im Landtag auf die Rundfunkgebühren, die für die Hörer Zwangsbeiträge seien. „Wenn der hr Sendungen aus dem politischen Untergrund gegen den Ministerpräsidenten plant, soll er sie auch von Lumpen bezahlen lassen und nicht von anständigen Menschen“, tönte Lortz.

Unterstützung gab es vom Koalitionspartner F.D.P. – der FDP-Fraktionsvorsitzende Jörg-Uwe Hahn teilte dem HR-Intendanten Klaus Berg seinen entschiedenen Protest mit. Nun müssten sich alle bestätigt fühlen, die den Hessischen Rundfunk „unausgewogen, linkslastig, nicht pluralistisch und gegen die amtierende Regierung eingestellt“ halten.

Der HR, der sich aktiv an der Aufklärung der CDU-Schwarzgeldaffäre beteiligt hatte und deshalb von Regierungskreisen immer wieder als „Rotfunk“ geschmäht worden war, knickte ein und reagierte „brutalstmöglich“. Bereits mittags war klar, dass das neugierig gewordene Publikum nie erfahren würde, ob nun das Rind, der Pitbull oder doch Herr Koch den Titel bekommen würde.

Der HR setzte die umstrittene Sendung ab, Intendant Klaus Berg entschuldigte sich persönlich für die „Entgleisung“ und kündigte „interne Konsequenzen“ an.

Den Worten folgten Taten: Mathias Münch wurde bis Ende des Jahres vom Dienst suspendiert, obwohl er nicht mehr getan hatte, als das Mikrofon für einen Programmhinweis freizugeben. Außerdem bekam er einen Maulkorb verpasst. Auf Nachfragen des Wildwechsel verwies er darauf, dass ihm untersagt sei, zu der Affäre öffentlich Stellung zu beziehen. Informationen gäbe es nur von der HR-Pressestelle.

Noch schlimmer erging es dem Autor der geplanten TV-Satire, den Frankfurter Redakteur und renommierten Filmemacher Eduard Erne (42). Der Autor, der seit 1997 für den HR gearbeitet hatte, wurde kurzerhand entlassen. Verständnis dafür hat er nicht. „Der Filmbericht war nicht erstzunehmen, das hätte doch jeder Zuschauer gemerkt,“ ist sich Erne sicher (HNA 14.12.). Er zeigt sich mehr als erstaunt, dass er „wegen eines solchen Pipifaxes“ Ärger bekommen hat.

Geradezu entsetzt ist er, dass die HR-Spitze auch noch den „völlig unschuldigen“ Moderator Münch, der nur seinen Job getan hatte, gleich mitbestrafte. Solidarität mit Münch gab es im Gästebuch der HR-3-Homepage – in großer Zahl empörten sich die Zuhörer über den Willkürakt der HR-Oberen und äußerten ihr Unverständnis für den Akt der Zensur.

„Ich finde diese Suspendierung ist ein gravierender Einschnitt in die Pressefreiheit und die Beschneidung eines Grundrechtes,“ brachte HR-Hörer Jan aus Frankfurt die Stimmung auf den Punkt. Inzwischen wurden – angeblich „aus Platzgründen“ – die massenhaften Einträge zu diesem Thema aus dem Gästebuch entfernt.

Ganz anders als die enttäuschten HR-Hörer reagierte man in den etablierten Kreisen der Landespolitik und in den Gremien des Hessischen Rundfunks.Mitglieder des Rundfunkrates wie der frühere Kasseler Uni-Präsident Hans Brinckmann meldeten sich zu Wort. Brinckmann sprach von einer „nicht hinnehmbaren Entgleisung“ – und meinte damit nicht den Rausschmiss, sondern die geplante Satire. Ähnlich äußerten sich auch Politiker der anderen Landtagsparteien.

Selbst von SPD und Grünen kam nur verhaltene Kritik am Vorgehen der HR-Spitze, auch die Medien stellten sich in großer Zahl hinter den Ministerpräsidenten. So ändern sich die Zeiten: Vor Monaten war man sich noch bis in die F.D.P.-Spitze hinein einig, dass Roland Koch wegen seines Verhaltens in der CDU-Schwarzgeldaffäre und seiner nachgewiesenen unwahren Behauptungen nicht mehr als Ministerpräsident tragbar sei. Inzwischen sorgt man sich parteiübergreifend um die Reputation des Ministerpräsidenten und nimmt dafür auch den Eingriff in Grundrechte in Kauf. (lj)

» Artikel 5 Grundgesetz: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“


Von Fedor Waldschmidt

Inhaber und Herausgeber des Magazin Wildwechsel

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