4.5/5 - (16 votes)

 Lesedauer: 9 Minuten

(Korbach) Nach fast 40 Jahren ist Schluss: Ferdinand Hense, in Korbach besser bekannt als Ferdi, schließt Ende Oktober 2025 seine beiden Kult-Kneipen – den Alten Simpel und das Billard Café Kö. Damit verliert die nordhessische Kreisstadt nicht nur zwei feste Größen der Kneipenkultur, sondern auch einen Gastgeber, der mit Herz, Haltung und viel Musikgeschichte über Jahrzehnte das Nachtleben geprägt hat. Im Wildwechsel-Interview spricht er offen wie nie über Highlights, Rückschläge, Fights und die Frage, was jetzt kommt.

Fast 40 Jahre Simpel & Kö – jetzt spricht Ferdi Klartext

Er war nie der Typ, der sich selbst groß ins Rampenlicht stellt – und genau deshalb werden ihn so viele vermissen. Ferdinand „Ferdi“ Hense hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten nicht nur als Wirt des Billard-Cafés „Kö“ und des Alten Simpel in Korbach einen Namen gemacht. Sondern als einer, auf den man sich verlassen konnte – egal, ob der Laden voll war oder gähnend leer. Einer, der lieber im Hintergrund die Bühne aufbaute, als sich selbst darauf zu feiern.

Jetzt macht er Schluss – zumindest als Kneipier. Ende Oktober 2025 gehen in beiden Lokalen die Lichter aus. Und mit ihnen verlässt ein echtes Original die Korbacher Gastro-Szene: kantig, herzlich, zuverlässig, immer geradeaus, aber nie unfair.

Was kürzlich in der örtlichen Tageszeitungbereits als das Ende einer Ära angedeutet wurde, zeigt sich im persönlichen Gespräch mit Wildwechsel noch viel eindrücklicher. Ferdi spricht offen – über wilde Nächte, treue Gäste, selbstgebaute Bühnen und eine Rockabilly-Party mit Petticoats, bei der einer seiner Lieblingsmusiker sich die Ehre gab. Er erinnert sich an Highlights mit Livebands, an spontane Busfahrten zu legendären Konzerten – aber auch an die stille Verantwortung, die das alles mit sich brachte.

Und er verschweigt nichts: Weder die Schlägereien in den 80ern noch die stillen Stunden, in denen er allein im Laden saß, weil er sich einfach nicht vorstellen konnte, früher abzuschließen als auf dem Schild stand. Im Interview zeigt sich, warum Ferdi nicht einfach ein Wirt war – sondern jemand, der für viele zum Freund wurde. In guten wie in schlechten Zeiten.

Gleichzeitig verrät er exklusiv, wie es für ihn weitergeht: Mit einem Projekt, das nichts verkauft, aber viel bedeutet. Mit einem Ort, an dem noch gefeiert wird – aber zu seinen Bedingungen. Und mit einer Einstellung, die man nicht lernen kann: Entweder man hat’s – oder eben nicht.

Wer wissen will, wie ein Mann tickt, der sich nie verbogen hat, sondern einfach durchgezogen hat, was er für richtig hielt – der sollte jetzt weiterlesen.

Denn so jemanden trifft man nicht oft. Und wenn doch, nennt man ihn meist einfach: Freund, Kumpel oder einfach einen echter Kerl!

 Bock auf Konzerte oder Partys mit Classic-Rock, Hard-Rock, Metal, Heavy Metal, Alternative, Pop-Rock oder einfach nur Rock Musik? Dann Klick einfach auf das passender Genre und Du bekommst diverse dazu passende Event Tipps von uns!

Was aus dem „Simpel“ und dem „Kö“ wird – und warum Ferdi keinen Nachfolger wollte!

Dass Ferdi aufhört, kam für viele überraschend. Doch wie der HNA berichtete, war die Entscheidung, die beiden Lokale Ende Oktober zu schließen, eine ganz bewusste – und eine ruhige. Ohne großes Tamtam, ohne Abfindungsrunden oder verzweifelte Nachfolgersuche. Ferdi selbst sagt dazu nichts Dramatisches – nur so viel: Es ist einfach Zeit.

Auch für die Räume gibt es keine gastronomische Zukunft. Der Vermieter hat, wie bekannt wurde, andere Pläne für die Immobilie. Was genau dort entstehen wird, ist noch offen – sicher ist nur: Das Kapitel „Simpel“ und „Kö“ wird sich in der bekannten Form nicht fortsetzen.

Was bleibt, ist Erinnerung. Und ein Interview, das mehr erzählt als Zahlen, Pachtverträge oder Gastro-Konzepte – nämlich von einem Typen, auf den man sich immer verlassen konnte. Und der zum Abschied noch mal richtig auspackt.

Exklusive-Interview mit Ferdi Hense

Inhaber der Korbacher Kult-Kneipen Alter Simpel und Billard-Café Kö

Wildwechsel (Ww): Lieber Ferdi, fast 40 Jahre sind eine lange Zeit. Gibt es aus all diesen Jahrzehnten einen besonderen Abend, eine Veranstaltung oder Begegnung, die dir bis heute besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Ferdi Hense: Da müsste ich eigentlich mehrere Sachen nennen. Es gab wirklich einige Events, die absolut herausragend waren. Zum Beispiel, als Ski King mit seiner Band hier war – er tritt ja nächste Woche nochmal auf, diesmal ohne Band. Das war die Rockabilly-Party. Ich hatte damals gesagt: Wer in entsprechender Kluft kommt, zahlt keinen Eintritt. Da standen dann jede Menge Frauen in den tollsten Petticoats vor mir, sahen richtig klasse aus. Es war eine mega erfolgreiche Party.

Oder der erste Auftritt von den Dirty Minds mit ihrer CD-Präsentation – da war mein Freund Ocki noch dabei. Auch ein Highlight. Und dann der erste Auftritt von Kissin’ Time: Als alter KISS-Fan habe ich die Band zum Zehnjährigen engagiert. Ich bin ja ein Perfektionist. Ich habe eine Bühne aus Paletten gebaut, oben 15 bis 20 Quadratmeter Spanplatten verlegt, die im Keller in quietscherot gestrichen und den Schriftzug von Kissin’ Time draufgemalt. Die Jungs kamen rein, total begeistert: „Boah, geil, guck mal, unser Schriftzug!“ Und dann kam der Drummer, schmiss seinen Teppich drüber… Das wars dann! … (sagte Ferdi und lachte)

Ja, und es gab auch wilde Zeiten – in den 80ern hatten wir teilweise Massenschlägereien. Einmal hatte ich einen Trupp amerikanischer Soldaten hier, die Radarüberwachung machten, alle 1,90 m aufwärts. Mein Bruder war auch da. Dann kamen plötzlich sechs, sieben Leute rein, von denen ich fünf Wochen zuvor Hausverbot erteilt hatte. Die wollten mich an dem Abend „abwatschen“. Dem ersten habe ich einen Kö über den Schädel gezogen, der platzte. Da sind Bleifüllungen drin. Der Typ schüttelt sich nur und sagt: „Jetzt bin ich dran.“ Ich dachte: „Oh, jetzt kriegst du voll auf die Fresse.“ Aber die Amis, inklusive meines Bruders Manni, haben mir geholfen. Wir standen Rücken an Rücken, kämpften – und irgendwann dreht sich einer von den Amis um, guckt mich an und sagt: „Well, wie zu Hause bei uns in Detroit.“

Heute sehe ich das als Highlight, damals hatte ich natürlich Panik. Aber solche gemeinsamen Erlebnisse schweißen zusammen. Ich habe oft genug ein blaues Auge gehabt und auch mal eine angebrochene Nase – war nicht immer lustig. Aber das gehört zu den Geschichten, die man nie vergisst.

Hinter jedem großem Mann, steht eine große Frau,… zumindest in meinem Fall gilt das zu 100%!

Ferdi

Ww: Das „Kö“ und das „Simpel“ waren nie einfach nur Kneipen, sondern Treffpunkte, Bühnen und Wohnzimmer für viele aus der Szene. Was war dir bei der Atmosphäre und dem Musikprogramm besonders wichtig?

Ferdi Hense: Ich hatte ja erst nur das „Kö“. Als ich angefangen habe, war mir wichtig, dort etwas zu verändern. Der Vorgänger hatte eher Eisdielen-Flair mit weißen Möbeln, wollte Kaffee und Eis verkaufen, dazu Billard. Nach einem Jahr war er wieder weg. Ich kam rein und dachte: „Daraus kann man was machen.“ Ich komme aus einer Gastronomiefamilie, habe aber als Einziger von acht Kindern nie Gastronomie gelernt – ich bin Schreiner. Und dann bin ich der Erste, der eine Kneipe hat.

Was in Korbach fehlte, war ein richtiger Hardrock-Schuppen. Ich habe meine erste KISS-LP 1976 gekauft, mit elf Jahren. Also haben wir die Wände dunkel gemacht, Hardrock gespielt – das traf damals den Nerv. Inkl. der selbstgebauten Boxen, diese Pyramidenboxen, die ich drin ließ und die dort bis heute hängen und Imme noch gut klingen.

Von 1985 an lief es richtig gut, und später kam der „Alte Simpel“ dazu. Ich war die ständigen Pächterwechsel dort leid und hatte schon beim Vermieter gesagt: „Beim nächsten Wechsel übernehme ich.“ 1999 habe ich dann tatsächlich eröffnet. Hinten im „Kö“ war eher das jüngere Publikum, 16 bis 25. Ich wurde ja selber älter, also passte der „Simpel“ mit seinem breiteren Publikum. Hier sitzen Steuerberater, Polizisten, Hartz‑IV-Empfänger, der Bürgermeister. Der Bürgermeister hat hier seine Jugend verbracht, in den Pausen im „Kö“ Billard gespielt. Später, im Wahlkampf, war meine Frau seine Konkurrentin um den Bürgermeisterposten. Trotzdem hat sich daraus eine Freundschaft entwickelt – wir waren auch schon zusammen essen.

Ww: Du hast über die Jahre viele Trends, Stilwechsel und Veränderungen im Ausgehverhalten miterlebt. Wie hast du dich da jeweils neu eingestellt? Gab es Momente, in denen du dachtest: Jetzt wird’s richtig schwierig?

Ferdi: Das Leben eines Gastronomen ist immer schwierig. Es gibt viele Trends, die ich persönlich nicht mitgemacht habe. Ich habe versucht, mir treu zu bleiben – auch wenn ich im Laufe der Jahre ruhiger geworden bin. Früher war es schneller, lauter, härter. Mittlerweile kommen auch mal ruhigere Töne oder Pop.

Wir haben Höhen und Tiefen durchlebt. Ab Mitte der 90er ging es wirtschaftlich bergab. Mit dem Aufkommen der Handys veränderte sich das Verhalten der Leute. Früher bist du in die Kneipe gegangen, um Freunde zu treffen oder eine Braut aufzureißen. Heute läuft das übers Internet. Ich bin oldschool, mag das persönliche Gespräch.

Trotzdem habe ich immer Live-Konzerte gemacht. Dadurch habe ich viele interessante Leute kennengelernt, z. B. Tobi Sattler von Hot Chocolate. Über Mike Gerhold bekam ich Kontakt zu Doro Pesch. Sie sollte im „Kö“ auftreten – das wäre mein großes Highlight gewesen. Wir waren schon in Preisverhandlungen, dann kam Corona, und alles fiel ins Wasser. Da habe ich mich zurückgezogen.

Ich hatte auch Ferdi Dörnberg hier mit seiner Band, Leute von Axel Rudi Pells Band. Bands sind aus dem tiefsten Osten angereist. Und wir haben die ersten Kneipenfeste in Korbach mit organisiert – erst privat mit vier, fünf anderen Kneipern, dann wurde es von Profis übernommen. Corona hat dem Ganzen dann den Rest gegeben.

Ferdi hat so einige Plakate von seinen Events gesammelt:

Ww: Korbach ist kein anonymer Großstadtstandort, sondern ein Ort, an dem Menschen über Jahre verbunden bleiben. Was war das Schönste an dieser lokalen Verwurzelung – und was vielleicht manchmal herausfordernd?

Ferdi Hense: Das Schönste ist die persönliche Bindung zu den Leuten. Du kennst ihre Arbeit, ihre Probleme, wer gerade geschieden ist, ein Haus baut, ein neues Auto kauft oder Stress mit dem Chef hat. Wir haben hinten einen Geburtstagskalender, und ich rufe die Leute an oder schreibe ihnen eine WhatsApp, wenn sie Geburtstag haben. Das gehört sich so.

Wir haben viele Sachen gemacht, die mit der Kneipe gar nichts zu tun hatten: Vatertagswanderungen mit 40 bis 60 Leuten, Grillplätze, Fußballturniere, Tauziehen. Leider ist Anfang der 90er nach einer solchen Tour jemand verstorben, der danach noch Auto gefahren ist. Dafür konnte ich nichts, aber es hat mich sehr getroffen. Danach habe ich gesagt: „Nie wieder.“

Wir haben auch Busfahrten zu Konzerten organisiert – Onkelz, KISS 1997 in der Waldbühne Berlin. Und heute gibt es unsere „Simple Biker“-Gruppe. Über 80 Leute sind drin, nur 30 haben direkt mit dem Laden zu tun. Wir machen Ausfahrten, zum Beispiel zum Knüllköpfchen, 130 Kilometer entfernt. Das bringt keinen Profit, aber es geht um Kundenbindung und neue Leute kennenlernen. Das mache ich auch weiter, wenn ich hier aufhöre.

Disziplin, Disziplin, Disziplin!

Ferdi Hense

Ww: Was würdest du jungen Leuten raten, die heute ein Szene-Lokal eröffnen möchten?

Ferdi Hense: Disziplin! Das ist das Wichtigste. Du musst sie dir selbst auferlegen. Wenn ich was mache, mache ich es zu 100 % und halte mich daran. Wenn ich Öffnungszeiten schreibe, ziehe ich die durch. Ich mache nicht einfach zu, weil nichts los ist. Ich sitze auch mal zwei, drei Stunden allein hier, putze, schreibe Abrechnungen – aber ich mache nicht zu. Der Kunde muss wissen: Der Hense hat auf.

Ich lasse auch für fünf Leute auf. Gestern hatte ich zwischen 25 und 35 Gäste, heute keine zehn. Trotzdem mache ich nicht zu. Ich bin vielleicht nicht der beste Wirt, aber einer der diszipliniertesten. Und das Preisniveau muss normal bleiben. Manche rufen Preise auf, da schlackerst du mit den Ohren. Ich habe in Göttingen 8,50 Euro für einen Wodka-O bezahlt – das kann sich kein normaler Mensch mehr leisten. Da muss sich die Gastronomie nicht wundern, wenn die Kunden abwandern. Also: Disziplin, Disziplin, Disziplin!

In der Nacht vom 25.10 auf den 26.10 ist die Abschluss Party, dann schließen wir forever!

Ferdi Hense

Support! Du magst den Ww und findest es cool, dass wir online für dich da sind? Dann kannst du uns easy unterstützen – ganz ohne Extrakosten: Starte deine Amazon-Bestellungen einfach über diesen Link 👉 Amazon-Link. Wir bekommen eine kleine Provision, du zahlst keinen Cent mehr. Danke im Voraus! 
Und wenn Du uns lieber mit einem kleinen Betrag regelmässig supporten willst, könnte das hier was für Dich sein.

Ww: Dein Abschied von der Theke ist ja kein Abschied aus der Welt. Hast du Pläne oder Herzensprojekte, denen du dich jetzt widmen möchtest? Oder sagst du erstmal ganz entspannt: Jetzt wird zurückgelehnt und genossen?

Ferdi Hense: Jetzt wird erstmal zurückgelehnt und genossen – aber ja, ich habe ein Projekt. Ich baue mir gerade eine Westernstadt. Das soll nichts Kommerzielles werden. Viele denken, ich würde weitermachen, aber nein. Wir haben Indianer-Tippis aufgestellt, bauen einen kleinen Saloon. Das ist für mich und meinen Motorradclub. Wir feiern da, treffen uns mit der „Simple Biker“-Gruppe, die sonst sonntags hier zusammenkommt.

Das Gelände hat 3.000 Quadratmeter. Ein Teil ist verpachtet, da stehen Pferde. Es gibt kleine Gebäude mit Saloon und „Knast“. Ein ehemaliger Kiosk von 1981 wird gerade zum Schlafhaus mit drei Doppelbetten ausgebaut. Auch im Tippi können Leute schlafen. Ich will nicht, dass jemand nach dem Trinken fährt. Das liegt mir nach meinen Erfahrungen von früher besonders am Herzen. Die Übernachtung kostet nichts. Wer es nicht nutzt, ist selbst schuld – aber ich möchte die Möglichkeit bieten.

Ww: Das klingt nach einem guten Plan. Wir danken Dir nicht nur für das ungewöhnlich offene und interessante Gespräch, sondern auch für die vielen tollen Events und Deine Gastfreundschaft und wünschen Dir und allen deinen Liebsten alles Gute für die Zukunft!

Die letzten Events im Billard Café Kö in Korbach sind:
Samstag 25. Oktober 2025
»Abschluss Party«    (5/5)

18:00 Uhr | Party in Korbach, Billard Café Kö
mehr Details


Immer up-to-date mit dem Ww-Newsletter

Von Fedor Waldschmidt

Inhaber und Herausgeber des Magazin Wildwechsel

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Wildwechsel | Veranstaltungen heute, morgen, am Wochenende
Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.