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Ghost Town Traffic im Interview | (c) Ghost Town Traffic
Ghost Town Traffic im Interview | (c) Ghost Town Traffic

Ghost Town Traffic – das sind Wolly Düse (Foto links, früher bei Rausch und Cowboys on Dope) und Seb Hynckel (ehemals Mitglied der Kölner Formation Moriartees). Die beiden Vollblutmusiker haben sich in Köln als Gitarren-Duo bereits einen Namen gemacht. G.T.T. treten in Kneipen auf und spielen bei schönem Wetter in Biergärten. Am 16. Dezember spielen Düse und Hynckel in Gelsenkirchen in der Trinkhalle am Flöz. Im Interview mit dem Journalisten Reinhard Franke sprechen beide über die Entstehung der Band und die unbändige Lust am Livespielen.

Ghost Town Traffic im Interview mit Reinhard Franke

„Man hat uns schon schlimmer beschimpft“

„Ghost Town Traffic“ – ein Duo aus Köln. Wie ist die Band eigentlich entstanden und wann haben Sie sich gegründet? 

Wolly Düse: Seb war Sänger und Drummer bei der Kölner Formation Moriartees, die schon einige Jahre unterwegs waren und auch Alben veröffentlicht haben. Ich habe in der Band auch eine Weile als Sänger und Percussionist mitgemacht. Mitte 2020 haben sich dann unsere Wege getrennt. Das hatte auch mit Corona zu tun, es kamen zum Beispiel keine Proben mehr zustande. Außerdem waren wir zu siebt, da war es schon schwer einigermaßen gut bezahlte Gigs an den Start zu kriegen. 

Seb Hynckel: Und was auch noch hinzukommt, dass drei Drummer zwei zu viele sind. Als Duo sind wir auch in der Pandemie zusammen gut zurecht gekommen. Und als die Masken langsam fielen, hatten wir eine ziemlich gute Setliste. 

Wie kamen Sie auf die Idee sich zusammen zu tun? 

Düse: Da Seb und ich nicht nur Schlagzeuger, sondern auch beide Gitarristen sind, haben wir überlegt, mit minimalem Aufwand und am besten als Duo eine Band zu gründen. Es lag nahe, ein Akustik-Gitarren-Duo zu formen. Übrigens nutzen wir für alle unsere Shows öffentliche Verkehrsmittel.

Wie kam der Bandname zustande?

Düse: Als wir anfangs zu Lockdown-Zeiten zum Proberaum in Köln unterwegs waren, sah es schon sehr nach Geisterstadt aus, da kam der Name von selbst.

Hynckel: Und wenn sich das dann noch nach Jimi Hendrix anhört, ist es doch hübsch. Obwohl Virtuosität nun nicht wirklich unser Job ist.

In Köln sind Sie kein Geheimtipp mehr. Wie sehen Sie Ihren Weg bisher?

Düse: Das Schöne ist, dass wir auch in kleinen Läden spielen können, wo du mit einer Band mit Drums und Verstärkern nicht auftreten kannst. So haben wir bereits in zahlreichen Läden in Köln und Umgebung gespielt. Da wir erst seit zwei Jahren mit G.T.T. spielen, kennen uns noch viele Leute nicht, daher bleiben wir weiterhin ein Geheimtipp.

Hynckel: Geheimtipp ist doch ein schönes Wort. Man hat uns schon schlimmer beschimpft. (lacht)

Auf der Facebook-Seite der Band steht, dass Sie 100 Jahre Rock ’n‘ Roll-Geschichte geplündert haben. Wie haben Sie denn angefangen zu plündern?

Düse: Anfangs haben wir viele englischsprachige Songs gecovert, darunter Stücke von den Kinks, den Rolling Stones, The Who, Faces usw., aber auch Lieder meiner früheren Band Rausch. Irgendwann haben wir festgestellt, dass das Publikum wesentlich aufmerksamer ist, wenn wir deutsche Texte singen. Deshalb haben wir einige Songs mit deutschen Texten versehen und auch deutschsprachige Stücke, die wir schon immer toll fanden, ins Programm aufgenommen – zum Beispiel von den Lassie Singers, Element of Crime oder Stereo Total. Mittlerweile besteht unser Repertoire zu zwei Dritteln aus deutschen Songs.

Hynckel: Genau, und das war weiß Gott nicht geplant. Zu Wollis Band Rausch hatte ich schon immer eine Fan-Liebe. Dass er jedoch in den 1970er-Jahren bereits mit Egon Tripp so herrliche Übersetzungen gemacht hatte, davon wusste ich sehr wenig.

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Ist „Ghost Town Traffic“ die perfekte Fortsetzung von den Cowboys on Dope? Die Geschichte zeigt Parallelen. Auch mit den Cowboys sind Sie, Wolly, durch die Kneipen getingelt und Ihr wurdet zu einer Kultband.

Düse: C.O.D. und G.T.T. kann man nicht vergleichen, besonders musikalisch nicht. Schwarte, Mutz & Düse starteten als Fortsetzung von C.O.D. Leider verstarb Schwarte im vergangenen Jahr, was leider auch das Ende der Band bedeutete. Wir spielen mit Ghost Town Traffic überall, wo man uns hören möchte, einschließlich privater Feste, Ausstellungen, Lesungen, Straßenfesten oder Festivals.

Sie haben als G.T.T. auch mal den Rausch-Klassiker „Early 69“ gecovert. Da stellt sich die Frage, wie sehr vermissen Sie die alten Rausch- und Cowboys-Zeiten?

Düse: Wir haben auch Rausch-Songs ins Deutsche übersetzt; die Lieder sind zeitlos. Peter Sarach, der Sänger von Rausch, und ich haben schließlich über 35 Jahre bei Rausch und Cowboys On Dope zusammen gespielt. Irgendwann war es dann auch genug, und die Erinnerungen reichen mir. Außerdem waren das definitiv ganz andere Zeiten. Es gab noch kein Internet, wo du Musik kostenlos streamen konntest.

Damals funktionierte die Musikindustrie noch…

Düse: Es gab nur Vinyl, also Singles und LPs, sowie Musikkassetten. Ende der 1980er-Jahre und Anfang der 1990er-Jahre – das waren noch die goldenen Zeiten. Wir waren mit Rausch bei derselben Plattenfirma wie die Scorpions, Dire Straits oder Metallica. Da flogen wir zum Shoppen und zu Fotosessions nach London oder zum Videodreh nach Sankt Petersburg. Es wurde noch versucht, über mehrere Jahre hinweg eine junge Band aufzubauen. Heute ist alles komplett anders. Es ist besser, nicht mehr zurückzuschauen.

Hynckel: Da bin ich ganz bei Wolly – bloß nicht zurückschauen.

Die unbändige Lust am Livespielen!

Ghost Town Traffic im Interview
Sie spielen auch in Kneipen, wo dann einfach mal der Hut rumgereicht wird. Wie läuft das ab? Gagen gibt es selten?

Düse: Eigentlich sprechen wir nicht darüber, aber in manchen Läden bekommt man halt nur eine kleine Festgage. Dann haben die Leute Angst, dass, wenn sie Eintritt nehmen, die Stammgäste wegbleiben. Deshalb wird eben der Hut rumgereicht. Ich spreche von Kneipen, nicht von Musikclubs, da sind die Deals ja komplett anders. Es ist eben bei jedem Gig eine andere finanzielle Nummer. Da wir nur zu zweit sind, geht das schon in Ordnung.

Deshalb wird eben der Hut rumgereicht

Ghost Town Traffic
Sind die Zuschauer da spendabel oder eher geizig?

Düse: Tatsächlich ist es so, dass ältere Zuschauer wesentlich spendabler sind; sie wissen den Wert von Musik noch zu schätzen. Ist doch klar, wenn du deine Musik umsonst streamen und konsumieren kannst, wie sollen die Leute denn eine Wertschätzung für Musik entwickeln? Dass wir monatelang geprobt haben und irgendwie zum Konzert gekommen sind, interessiert die meisten doch gar nicht. Das ist diese ‘all you can eat’-Mentalität. Sehr bedenklich.

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Was ist das Besondere an GTT-Konzerten? 

Hynckel: Ich glaube, wir sind erstmal ziemlich gut in der Songauswahl, wir spielen ja kaum A-Seiten! Noch nicht mal bei den Rausch-Nummern. Und weil es mich wahnsinnig macht, wenn man sich mit ner Band odern nem Künstler beschäftigt und dann nur auf das Altbekannte zu setzen. Das kommt bei uns einfach ohne großes Gedöns auf unseren Shows vor. Das Besondere dabei ist für uns zu einer schönen Realität geworden. Bin jedenfalls gespannt, wo da die Reise noch hingeht.

Welche drei Songs gehören zu Euren Klassikern und warum?

Düse: Tatsächlich spielen wir von meiner ganz alten Leverkusener Punk-Rock-Band ‘Egon Tripp’ einen Song namens ‘Hackfleisch’ und den ‘Theodor Shitstorm’-Kracher ‘Rock’n‘ Roll’. Da ist die Stimmung dann auf dem Höhepunkt, obwohl die Leute die Lieder nicht unbedingt kennen. Trotzdem singen alle lauthals mit. Ein großer Lacher ist auch unser ‘Bernd Spier / Ted Herold’ Medley.

Ghost Town Traffic im Interview | (c) Ghost Town Traffic
Ghost Town Traffic im Interview | (c) Ghost Town Traffic
G.T.T. spielen am 16.12. in Gelsenkirchen in der Trinkhalle am Flöz. Ist das der erste Gig außerhalb Kölns? Was können die Zuschauer da erwarten?

Düse: Nein, wir haben schon oft außerhalb von Köln gespielt. Das weiteste war bisher Luxemburg. Aber wir durchkämmen zunächst alles im Umkreis von 100 Kilometern um Köln. Die Zuschauer erwartet ein sehr unterhaltsames Programm mit zwei akustischen Gitarren und größtenteils zweistimmigem Gesang.

Autor: Reinhard Franke

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Von Wildwechsel

Online-Redaktion des Printmagazin Wildwechsel. Wildwechsel erscheint seit 1986 (Ausgabe Kassel/Marburg seit 1994). Seit 2021 erscheint Wildwechsel ausschließlich online. Laut Auswertung hat sich dadurch die Zahl der Leser noch mal deutlich gesteigert.

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