4.5/5 - (2 votes)

 Lesedauer: 3 Minuten

(Kassel) Ein neuer Ort für große Oper – und das mitten in Kassel: Mit dem „Interim“ feierte die Stadt ihre erste Premiere in der frisch errichteten Ersatzspielstätte für das Opernhaus. Autor und Theaterkenner Marcus Leitschuh war dabei und berichtet in seiner Gastkritik von einem mutigen Auftakt, bei dem Technik, Konzept und Verdis „Aida“ zu einem packenden und bisweilen provokanten Gesamterlebnis verschmelzen.

Übergangsspielstätte ersetzt das sanierungsbedürftige Opernhaus

Es reicht nach frischer Farbe. Der Vorplatz wurde erst am Vormittag gepflastert. Während der wenigen Probentage wurde bis zuletzt parallel an der Fertigstellung gearbeitet und man ist noch längst nicht fertig. Das „Interim“ wird eröffnet als Ersatzspielort für das Opernhaus. Rückblende: Der TÜV kündigte schon vor Jahren an, dass die Bühnentechnik des nach dem 2. Weltkrieg gebauten Opernhauses saniert werden muss. Gemeinsam mit „Nüssli“ als erfahrenem Generalunternehmer entstand in nur zwei Jahren eine Ersatzspielstätte, die ganz auf die Funktion reduziert ist und nach der Nutzung andernorts wieder aufgebaut werden kann.

Flexible Architektur: Die Funktionen der Interimsspielstätte Erfurt

Multifunktional sollte es werden. Statt fester Sitzreihen gibt es Podeste auf einer Drehscheibe. So kann wird die Sicht der Zuschauer dorthin gedreht, wo etwas passiert. Die Ränge befinden sich auf mehreren Etagen in Gerüsten. Schwerlastzüge ermöglichen, dass Bühnenteile hochgezogen werden können.

Statt Pyramiden gibt es Politik an Bord.

Marcus Leitschuh

Verdis „Aida“ als spektakuläre Eröffnungspremiere

Bei der Eröffnungspremiere „Aida“ konnte davon viel bestaunt werden. Verdis Oper spielt unter der Regie von Florian Lutz größtenteils auf dem gleichnamigen Kreuzfahrtschiff. Chor und Statisten bevölkern auf Liegestühlen die Spielfläche. Darunter auch einige Premierengäste – denn man kann bei jeder Aufführung „Adventure-Sitze“ buchen. Neben den Liegen gibt es Plätze an der „Schiffsbar“ oder im „Restaurant“. Ortswechsel inbegriffen.

Statt ägyptischen Pyramiden gibt es viele Videos und Politik an Bord. Heerführer Radamés (Gabriele Mangione) wird zu Wolodymyr Selenskyj, Priester Ramfis (Sebastian Pilgrim) ist Donald Trump. Als Priesterin (Daniela Vega) erleben wir Ursula von der Leyen und der ägyptische König (Ian Sidden) ist Frank-Walter Steinmeier. Aidas Vater Amonasro (Filippo Bettoschi) erinnert an Putin – inklusive filmischen Pferderitt mit nacktem Oberkörper. Aidas Rivalin Amneris, hinreißend dargestellt von Emanuela Pascu, kommt mit einem Luxusauto auf die Bühne gerollt.

Die Sicht dreht sich dorthin, wo etwas passiert.

Marcus Leitschuh

Klangqualität überzeugt trotz technischer Herausforderungen

Sorgen gab es im Vorfeld zur Akustik. Die überzeugte am Eröffnungsabend. Der in der Mitte befindliche Orchestergraben bestand die Bewährungsprobe, auch wenn die hohen Gitter eher an eine Zoogrube mit wilden Tieren erinnerten, vor denen man die Betrachter schützen muss, als Mitglieder eines A-Orchesters unter der Leitung von Ainārs Rubiķis. Was aber aus dem Graben zu hören war, war ein Fest – auch durch einen hervorragenden Chor und eine Inszenierung, die nie langweilig ist.


Weitere Veranstaltungen im INTERIM

Noch mehr Theater in Kassel

Immer up-to-date mit dem Ww-Newsletter

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Wildwechsel | Veranstaltungen heute, morgen, am Wochenende
Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.