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Sven Regener im Interview mit Sigrid Schonlau vom Wildwechsel in Osnabrück, Rosenhof, am 26.08.2011

Herr Regener, ich muss erst mal den Schrecken verdauen, dass ich Ihnen hier wirklich leibhaftig gegenübersitze. Ich kenne Sie sonst nur als Stimme in meiner Küche, von der CD. – Wie ist denn die Tournee bisher verlaufen? So viele Konzerte waren es ja noch nicht.
Regener: Nein, das ist jetzt keine richtige Tour. Das ist so eine Nachklappgeschichte, wir hatten im Februar eine dreiwöchige Tour, was selber schon die Nachfolgetournee war von der ganz großen, richtig fetten Tour. im letzten Jahr, wo wir die richtig großen Städte gemacht haben. Wir machen das inzwischen dann doch lieber in zwei Etappen, weil wir nicht mehr so lange auf Tournee gehen wollen, und dies sind jetzt quasi die Sommerbühnen. Gestern waren wir in Mainz, Open-Air, und morgen sind wir bei der Museumsmeile Bonn, das sind so Sommerspezialkonzerte, die ja auch gerne genommen werden. Und dann ist das hier dann auch so was, was da noch mit reingestopft wurde, bevor man dumm rumhängt – und weil wir in Osnabrück noch nicht waren. In Osnabrück kann man gut spielen, der Club hier ist lustig, bisschen wie vor 20 Jahren von der Größe her für uns – aber das ist keine richtige Tournee, wir sind ja nur vier Tage unterwegs. Das hier ist der kleine weiße Fleck auf der Landkarte.

Wussten Sie, dass der Bundespräsident hier geboren wurde?
Regener: In Osnabrück? Das beeindruckt jetzt mich aber nicht so wahnsinnig. Irgendwo muss er ja geboren sein. Aber Erich Maria Remarque kommt doch aus Osnabrück?

Ja, der hat ein Museum hier. Der Zusammenhang mit dem Bundespräsidenten schien mir nur ganz lustig, weil letztes Jahr in der Süddeutschen stand: Osnabrück – Stadt ohne Eigenschaften.
Regener: Das ist Quatsch. Es steht doch auch am Bahnhof so ein Schild, was ich immer bewundernswert fand an Osnabrück, diese Tapferkeit: Also bei Leipzig – da steht doch dann Messestadt. Oder Messestadt Hannover. Und bei Osnabrück – Zentrum des Osnabrücker Landes. Und das finde ich jetzt mal ein Super-Statement mit so einer extremen Coolness. Man hat es nicht nötig, sich mit so einem Quatsch zu behängen. Oder Münster – Stadt des westfälischen Friedens.

Das wäre dann meine nächste Frage, wann Sie denn mal wieder ins Ostwestfälische kommen?
Regener: Ich kann das mal ganz kurz sagen. Wir sind angefragt und das wird dann nächste Woche, glaube ich, auch bestätigt, für das Fest van Cleef, und das Fest van Cleef war ja immer im Sommer, und die machen das jetzt immer im Winter, weil es so viele Sommerfeste gibt. Auf jeden Fall auch mit Thees Uhlmann und auf jeden Fall mit Element of Crime. Und ich glaube, Bielefeld ist dabei. Ich erkundige mich noch, was die genauen Konditionen sind. (Inzwischen hat sich herausgestellt, dass das Konzert am 4.12.11 in Bielefeld stattfinden wird.)

Und da ich auch viel in Braunschweig am Theater arbeite: Wann waren Sie denn zuletzt in Braunschweig?
Regener: Das ist ne Weile her. Wir waren in der Gegend, in Northeim, oder wie das heißt. Auch beim Fest von Kleev, das war im Sommer 2009. So im Wald, eine komische Waldbühne war das. So ein theatermäßiges Ding, ein bisschen Herr-Der-Ringe-mäßig.

Würden Sie denn unter Umständen auch im Theater auftreten? Vor kurzem waren die Erdmöbel im Staatstheater Braunschweig
Regener: Wir haben vor kurzem im Burgtheater gespielt, aber das ist die Ausnahme. Wir haben vor 20 Jahren mal auf der Volksbühne Ost gespielt, aber das hat uns nicht so gefallen, weil – diese Theatersituation mit Logen, Sitzreihen – Rock ’n‘ Roll im Sitzen – immer problematisch. Aber beim Burgtheater kann man nicht nein sagen. Also, wenn das Burgtheater fragt, das ist ja so ein Nationalheiligtum, das wäre ja eine Beleidigung der ganzen Republik Österreich, dem Burgtheater abzusagen. Das kann man nicht bringen. Und allein unsere Wiener Freunde hätten sich ja mit Schaudern von uns abgewandt. Das war so ein bisschen ein Sonderfall, aber das ist eigentlich nicht das, wofür wir so da sind.

Aber Sie machen schon gezielt Musik für bestimmte Stücke?
Regener: Das haben wir ein einziges Mal gemacht, das war für Leander Haussmann für eine Bochumer Inszenierung – Peter Pan hat er da inszeniert. Und das war 2000. Das ist auch schon wieder 11 Jahre her. Und wir haben für einen Film von Leander Songs geschrieben. „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ Dafür durfte dann Leander bei uns im Burgtheater bei „It’s all over now, Baby Blue“ von Bob Dylan die Mundharmonika spielen.

Und – hat er das gut gemacht?
Regener: Ja, das ist ja auch unser Freund. Das ist ein Super-Mundharmonika-Spieler. Ja, ja. Das ist ein ganz großer Soul- und Blues-Mundharmonika-Spieler.

Und jetzt im Frühjahr haben Sie ja eine neue CD rausgebracht?
Regener: Das war so eine Compilation der letzten 20 Jahre. Die älteste Aufnahme war von 89 und die jüngste, glaube ich, von 2008. Also das ist kein reguläres Album, und es ist auch nichts aufgenommen worden für dieses Album. Sondern das hatten wir aus den verschiedensten Gründen, für Filme, für Single-B-Seiten, für Compilations – und da das alles Sachen sind, die auf den regulären Alben nicht zu haben sind, haben wir das in so einer Compilation zusammengefasst. Aber das ist jetzt kein Album, wo ich sagen würde, das muss jetzt wirklich jeder haben, das ist nicht DAS neue Album.

Haben Sie denn irgendwas in der Warteschleife?
Regener: Nein, und wenn es so wäre, würde ich es nicht sagen, weil man nicht über ungelegte Eier reden soll. Man weiß ja auch nicht, was als Nächstes passiert.

In den letzten Jahren haben Sie viele literarische Texte veröffentlicht. Bewerten Sie für sich , was Ihnen näher ist, die Musik oder Ihre Romane?
Regener: Nee, warum soll ich das bewerten? Das bringt ja nichts. – Eines kann man sagen: Musik habe ich immer gemacht. Das ist ja auch bei Kindern eine der ersten Lebensäußerungen. Das ist von vorneherein da, Singen, Summen, Pfeifen – da kann man noch lange nicht lesen, Musik macht man immer – und ich werde auch immer Musik machen. Wenn ich keinen Roman schreibe, dann schreibe ich keine Roman. Das ist was ganz Anderes. Trompete übe ich jeden Tag, weil das auch Spaß macht. Musik muss immer gemacht werden. Einen Roman schreibt man nur, wenn man eine gute Idee hat. Wenn das fertig ist, ist es vorbei. Durch das Wesen der Dinge ist das bedingt – und das ist ein großer Unterschied.

Wie lange üben Sie denn so?
Regener: Also, bei der Trompete ist das ja so, dass man schon alleine für den Ansatz ein bisschen üben muss. Da reicht ja manchmal auch schon eine Viertelstunde. Das hängt auch davon ab, was gerade anliegt. Wenn man auf Tournee ist und neue Songs hat, dann übt man natürlich mehr. Aber ich denke da auch gar nicht mehr drüber nach.

Aber es macht weiterhin Spaß mit der Musik?
Regener: Na, wenn das keinen Spaß mehr machen würde, dann könnte man das nicht machen. Solche Musik kann man nicht zähneknirschend runterreißen – das funktioniert nicht. Entweder man hat da Spaß dran oder man lässt es bleiben – ich würde lieber Schlamm schippen gehen und anderswo mein Geld verdienen als Musik machen ohne Lust darauf.

Im Moment sind Sie hier mit fünf Leuten unterwegs.
Regener: Ja, wir haben Christian Komorowski dabei, der spielt Geige.

Das ist ja eine relativ kleine Truppe.
Regener: Na, das ist das, was wir musikalisch machen wollen. Wir wollen, dass das so klingt. Wir wollen da keinen mehr haben und keinen weniger. Wir haben ja auch lange zu viert gespielt – aber wir haben zu fünft angefangen, da war noch ein Saxophon dabei. Dann haben wir lange Jahre zu viert gespielt – einige auch mal zu sechst, dann zu fünft, zu viert – im Kern waren wir immer Bass, zwei Gitarren und Schlagzeug. Aber seit wir jetzt die letzte Platte rausgebracht haben, hat es sich sehr gelohnt, dass wir den Christian Komorowski dabei hatten. Wir achten sehr darauf, dass die Band live diesen rauhen Charme behält. Man muss nicht alles, was man auf der Platte macht, auch live machen. Bloß, weil man irgendwo eine Hammondorgel dabei hatte, muss die nicht noch auf die Bühne gehievt werden, man muss auch nicht alle Lieder spielen. Man entscheidet sich halt im Vorfeld einer Tournee, wie man das alles angehen will. Man will eben auch einen durchgehenden Sound, das ist ja fast das Wichtigste für eine Band, dass sie so ein Soundprofil hat, so eine Soundseele, die man nicht übersehen kann. Eine Band ist nicht dafür da, jedes Lied immer wieder anders zu spielen, sondern die soll so einen spezifischen Charakter haben. Das ist nicht so wie bei Solokünstlern, die sagen: Ich mache das mal so oder so. So wie ein Trecker große Reifen hat, so haben wir einen spezifischen Sound. Diese Band hatte von Anfang an so einen unzerstörbaren Sound, so einen roten Faden, der alles durchzieht, da ist das auch überhaupt kein Problem für uns, in jede Richtung mal extrem vorzugehen, weil es so etwas wie einen unverwechselbaren Charakter der Band schon gibt. Man kann eigentlich immer gleich spotten: Das ist Element of Crime.

Kann man grob so sagen, dass Sie in Ihren Texten immer wieder den Einzelnen mit Einflüssen von außen thematisieren?
Regener: Das ist ja was Anderes. Ich habe gerade über Sound gesprochen.

Mir ging es dabei auch um den Zusammenhang.
Regener: Da gibt es keinen direkten Zusammenhang. Wir machen ja immer zuerst die Musik und wenn die dann irgendwann fertig ist, mach ich irgendwann den Text. Das ist wichtig. Irgendwie fügt sich das dann zu etwas ganz Speziellem zusammen. Das ist so ein ganz spezieller Moment – so ein bisschen wie beim Autobau, wo der Rahmen, das Unterteil und die Karosserie von oben zusammenkommen. Klassischer Moment im Autobau, das nennen die, glaube ich, Hochzeit. Ich habe mal im Automobil gearbeitet. So ähnlich muss man sich das vorstellen. In dem Moment ist das plötzlich ein Auto. Das ist ja auch ein emotionaler Moment. Und so ist das auch mit Songs. Musik und Text, in dem Moment, wo das zusammenkommt, ist das was ganz Anderes, eine ganz neue Qualität. Also, deshalb kann ich das gar nicht so sehen: Weil die Musik so und so ist, machen wir den Text so und so. Man hat zuerst die Musik, und dann denkt man die ganze Zeit nach. Und plötzlich bringt das in einem selbst etwas hervor. Das ist aber wenig steuerbar, deswegen dauert das auch manchmal so lange. Manche Leute wundern sich auch darüber, dass wir erst die Musik haben, im Chanson, im Schlager oder auch bei Liedern von Brecht/ Weill, da ist erst der Text, aber im Rock ’n‘ Roll ist das sehr, sehr oft umgekehrt. Das ist dann auch etwas, woran man sieht, dass wir eine Rock ’n‘ Roll-Band sind. Bands können sehr gut zusammen erst mal die Musik entwickeln, aber es ist sehr schwierig, zusammen mit mehreren Leuten einen Text zu entwickeln. Bands, die es so rummachen, sind meist Bands mit Chef. Da gibt es dann einen, der mit so einem Text kommt, und der andere vertont das dann. Ostbands hatten das viel, weniger Westbands, die auch durch die ganzen 70er Jahre sozialisiert wurden mit dem Kollektiv-Gedanken.

Herr Regener, dann vielen Dank für das Gespräch. Nur noch eine kurze Frage: Wissen Sie, dass Ihr Nachbar sich nicht mehr traut, Element of Crime zu hören, seit er gesehen, dass mit Regener auf dem Türschild Sie gemeint sind?
Regener: Ja, das tut mir dann auch leid. Soll er doch hören.

Ich werde es ihm sagen, denn ich glaube, er fand’s bisher zu schleimig. – Und was steht jetzt noch an bis zum Konzert heute Abend?
Der Soundcheck!

Von Wildwechsel

Online-Redaktion des Printmagazin Wildwechsel. Wildwechsel erscheint seit 1986 (Ausgabe Kassel/Marburg seit 1994). Auf Wildwechsel.de veröffentlichen wir ausgewählte Artikel der Printausgaben sowie Artikel die speziell für den Online-Auftritt geschrieben wurden.

Ein Gedanke zu „Die Soundseele von Element of Crime“

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