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Die Sieben Warburger, Komplettansicht

4,70 Meter mal 1,66 Meter groß ist das Gemälde, das der Stadt Warburg von einem Nachfahren des bekannten Malers Professor Hans Kohlschein jetzt als großzügige Schenkung überlassen wurde. Übereignet hat es ein Enkel des Künstlers, Dr. Kurt Schultze aus Düsseldorf. Im Museum im „Stern” wird es nun von Herrn Dr. Schultze und Bürgermeister Michael Sticken offiziell vorgestellt. 

Das 1904 entstandene Bild mit dem mündlich überlieferten Titel Die sieben Warburger wurde in Tempera auf Leinwand gemalt. Für seine neue Präsentation hat man es auf eine geleimte Holzplatte aufgezogen und mit einem einfachen Leistenrahmen versehen; damit einhergingen kleinere Retuschen von Fehl-oder Schadstellen.

Das Bild Die Sieben Warburger vereinigt alle Merkmale und Qualitäten, die für das Schaffen Hans Kohlscheins als charakteristisch und prägend gelten: Obgleich auf Leinwand gemalt, entspricht das Bild durch seine monumentale Größe, seine auf leichte Untersicht angelegte Komposition, seine Malweise und vermutlich auch durch seine ursprüngliche Funktion den Wandbildern und Fresken, für die Kohlschein seit seiner Frühzeit als Experte angesehen wurde.

Durch die dargestellte Architektur liegen eindeutige Bezüge zu Warburg vor. Die Brücke lässt sich samt der Johann-Nepomuk-Statue als die ehemalige Diemelbrücke vor dem Neuen Tor südlich der Altstadt identifizieren. Aus bildkompositorischen Gründen hat Hans Kohlschein diese mit leichtem Richtungswechsel näher vor die Stadtbefestigung gerückt und zusätzlich als optische Begrenzung am linken Bildrand einen Stadtmauerturm ergänzt.

Wenn nicht durch eigenes Erleben vor Ort dürften Hans Kohlschein die Warburger Architektur samt entsprechender Stadtansichten durch die verschiedenen Skizzenbücher seines Vaters wohl bestens vertraut gewesen sein.

Ausführender Künstler war Hans Kohlschein. Als ältester Sohn des bedeutenden Graphikers und Kupferstechers Professor Joseph Kohlschein d. Ä. und seiner Frau Elisabeth, geb. Berke, – beide aus Warburg stammend – erblickte er am 5. März 1879 in Düsseldorf das Licht der Welt. Bereits als Vierzehnjähriger kam Hans 1893 auf die Akademie seiner Heimatstadt, wo Wandmalerei bald zu seinen Spezialgebieten gehörte.

So unterstützte er seine akademischen Lehrer Eduard von Gebhardt und Claus-Meyer bei der Ausmalung von Schloss Burg an der Wupper und bereits 1901 erhielt er als 22-jähriger den Auftrag zu einem Wandfresko in der Villa Elmendorf in Isselhorst, Stadt Gütersloh. Für diese Malerei mit dem Osterspaziergang nach Goethes Faust wurde er 1903 mit dem 1. Preis der Stiftung für Freskomalerei in Düsseldorf ausgezeichnet.

Wandfresken mit vorwiegend historischen Bildthemen spielten in den folgenden Jahrzehnten eine wichtige Rolle in seinem Werk, viele davon entstanden in öffentlichen Gebäuden. Während des Ersten Weltkriegs war Hans Kohlschein zwischen 1915 und 1918 die längste Zeit in Polen als Kriegsmaler beschäftigt, wo er mit seinen rund 300 Skizzen und Bildern einerseits die wichtigen Ereignisse in Warschau dokumentierte, anderseits aber auch den Alltag mit seinen Widrigkeiten für die Bevölkerung im Krieg eindrucksvoll darstellte.

1918 zum Professor an der Kunstakademie Düsseldorf ernannt, lehrte Kohlschein dort von 1920 bis 1926. Danach war er als freischaffender Künstler tätig. Seine Werke wurden von Museen bis hin nach Japan angekauft. Nachdem 1943 sein Wohnhaus in Düsseldorf bei einem Bombenangriff völlig zerstört wurde, zog er in den Herkunftsort seiner Eltern, nach Warburg, wo er am 28. Dezember 1948 verstarb.

Das in einem gestreckt längsrechteckigen Format gestaltete Bild greift im kompositorischen Aufbau deutlich auf das bereits erwähnte Wandfresko des Osterspaziergangs in Isselhorst zurück. Die Gesamtkomposition einer Gruppe, die über eine das Bild fast vollständig ausfüllende Brücke schreitet, hat Hans Kohlschein beibehalten, die zugrundliegende Erzählung jedoch verändert, indem Goethes Osterspaziergang durch eine an der Geschichte der Sieben Schwaben angelehnte Szene ersetzt wurde.

Dieser erstmals im 16. Jahrhundert in verschiedenen Varianten greifbare Schwank erfuhr im 19. Jahrhundert durch die Aufnahme in die Märchensammlungen der Brüder Grimm und Ludwig Bechsteins eine weite Verbreitung und Beliebtheit.

Sechs Gesellen marschieren hinter ihrem mit Rüstung gekleideten Anführer. Gemeinsam halten sie dabei einen Spieß, auf dem als Trophäe ein Lorbeerkranz baumelt. Vor dieser Gruppe flüchten zwei Gänse. Daneben steht ein Mädchen, das wohl ihr kleines Geschwisterchen auf dem Arm hält, und blickt in einer Mischung aus Skepsis und Entsetzen auf diese Gruppe, ein weiteres Geschwisterchen vergräbt sein Gesicht in deren Kleid.

Auf der Brücke folgt im Hintergrund eine jubelnde Schar weiterer Teilnehmer dem Triumphzug. Wiederum in Anlehnung an das Isselhorster Wandfresko steht im Vordergrund eine Dreiergruppe von Frauen neben der vom oberen Bildrahmen überschnittenen Johann-Nepomuk-Statue. Die Frauen in historischer Gewandung dürften wohl drei Generationen symbolisieren.

Die Jüngste und die Frau mittleren Alters „unter der Haube” sind ausgezeichnet durch prachtvolle Gewänder, die wie aus Bildern von Albrecht Dürer oder seinen Zeitgenossen übernommen scheinen. Ihnen gegenüber steht in Rückenansicht eine gekrümmte alte Frau. Im Bildaufbau dient sie als sogenannte Repoussoirfigur, die optisch die Tiefenwirkung des Bildes verstärken und zugleich den Betrachter ins Bild hineinziehen soll.

» [ Webpräsenz des Museums im Stern ]

Von Frank Booth

Freier Autor

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