
Manfred Prescher: Dauernd passiert was – Subraumanomalien – Fundamentalteilchen 7/407: Was Gott erst machen hätte können, wenn er/sie Geld gehabt hätte feat. Steiner & Madlaina | (c) RondellMelling auf Pixabay
Also ich finde die Idee von dem Francesco Wilking gut:
Einfach mal schöne deutschsprachige Lieder der intelligenteren Art ins Italienische zu transferieren. Zusammen mit den Originalkünstlern setzt er sie als Grucchi Gang zum Großteil auch noch gelungen um und legt selbst eine sehr nette Version von Bilderbuchs »Bungalow« mit dazu.
Halt, stopp, ich hatte doch vor lauter Sehnsucht nach dem sonnigen Süden »transferien« geschrieben. Doch, doch, ein wenig Urlaubsflair kommt schon auf. Schon beim letzten Espresso habe ich davon getragträumt, dass ich mit einem alten Alfa Rundheck-Spider, genau der, dem die Menschen zwischen Sizilien und den Dolomiten den Namen »Osso di Seppia« verpassten, gen Freiheit und Abenteuer unter Palmen düse.
Da vorn heiraten schon wieder zwei.
Regelrecht stilecht wäre das. Als ich das meinem bescheuerten Bruder erzählte, meinte er lapidar, dass ich mit dem Auto nur die Schlussszene aus »Die Reifeprüfung« nachspielen wollen würde. Aber nein, sage ich, wozu soll das denn gut sein? Es wird schließlich immer wieder und irgendwo der Bund fürs Leben eingegangen, wie schon Max Goldt zu berichten wusste: „Da vorn heiraten schon wieder zwei. Der Mann wird demnächst Geologe, und die Frau findet das toll.“
Also antworte ich, dass ich genau das nicht vorhabe und in nächster Zeit einen Bogen um jedes Standesamt und erst recht um jede Kirche machen werde. Außer sie ist von einem alten Baumeister und man darf nichts weiter tun, als die Kunstschätze von Boticelli und Co zu genießen. Nein, ich will schlicht und ergreifend, die nächste Gelegenheit ergreifen und – wie so viele vor mir – ab in den Süden ziehen.
Das machen doch auch die Vögel, in der Hoffnung, nicht auf halber Strecke gekillt und dann gegrillt zu werden. Außerdem gefällt mir die Idee, kluge Gedanken in eine andere Sprache überzuführen, was dann für die meisten Deutschen und Österreicher bedeuten würde, dass sie sich, vorausgesetzt, der Wunsch dazu wäre in ausreichend gehobenem Maße vorhanden, dann doch intensiver mit den Texten beschäftigen müssten.
Bloßes Drüberweglesen würde nicht mehr genügen
Sie müssten mindestens den Übersetzer von Gockel zu Rate ziehen. Bloßes Drüberweglesen würde nicht mehr genügen – und das würde zumindest für mich logischerweise bedeuten, dass ein nicht unerhebliches Interesse an meinem Geschreibe bestünde.
Wie so oft holt mich mein Bruder aber auf den Boden des rein Faktischen zurück. Gerade er, der mit der Wünschelrute nachschaut, ob die hintere Moms noch genug Wasser führt und praktisch bei jeder Regung des Weltgeistes eine homöopathische Binsenweisheit von KenFM beizusteuern weiß, kann das besonders gut.
Zumindest in meinem speziellen Fall: „Du brauchst Deine Texte gar nicht in irgendeine andere Sprache zu übersetzen. Und bevor Du fragst ‚warum‘“ – was ich allerdings gar nicht vorhatte – „will ich es Dir sagen: Du schreibst sowieso schon so verschwurbelt, dass man Deine Sachen nur liest, wenn man es unbedingt will und sich dem gewachsen fühlt“. Ja, ihr Preschermen’s Friends da draußen auf Gottes weitem Globuli, mein Bruder hat recht.
Der Mann bildet sich ohnehin schon genug ein.
Aber sagt es ihm nicht weiter, der Mann bildet sich ohnehin schon genug ein. Und nebenbei ist er einer der mobilen Gründe, warum ein Urlaub an fernen Gestaden bei Weib, Wein und Gesang angesagt wäre. Immobile Gründe gibt es auch, die stehen in ihrer bürokratischen Pracht irgendwo in den Innenstädten und wollen, dass man dort »allerhandlei« (Walter Kempowski) Formulare ausfüllt und unterschreibt.
Dabei ist das Kleingedruckte meist so kleingedruckt und überdies so umfangreich, dass einem die Augen überquellen wie seinerzeit dem Marty Feldman in »Frankenstein Junior«. Das kann einfach nicht gesundsein. Also auf nach Italien.
Aus dem Becker-Mexico-Autoradio im Alfa klingt »Una festa sui prati« vom sizilianisch verwegenen Norditaliener Adriano Celentano, dann vielleicht Rita Pavone mit »Non Dimenticar Le Mie Parole« und dann kämen auch schon Steiner und Madlaina mit ihrem Beitrag für Wilkings Italo-Northern-Projekt Grucchi Gang: »La Dolce Vita« ist pure Lebensfreude und viel freundlicher als der berühmte Fellini-Streifen mit Anita Ekberg und dem unglaublich schönen Soundtrack von Nino Rota.
Ach, davon könnte auch etwas mit auf die Reise. Das passt schon zum Alfa, es harmoniert auch mit Adriano, Rita und den beiden Schweizerinnen. Denn Madlaina ist – wie Faber, der ebenfalls zur Crucchi Gang gehört – ein Kind des Cantautore Pipo Pollina. Und bekanntlich fällt der Apfel nicht weit vom Pferd.
Leider ist Italien gerade fast so weit weg von meiner heimatlichen Scholle wie der Planet Melmakzack.
Das liegt an der Seuche und daran, dass die Arbeit so laut ruft, dass man ihr auch in Roma oder im Sand von San Vito Lo Capo nicht entgehen kann. Sie hindert einen, die Koffer zu packen, weil es sinnlos wäre. Denn wenn der Capo ruft, ruft er „da capo“ und will immer noch mehr.
Aber nicht nur der Boss wartet, auch mein Bruder will unbedingt, dass ich ihm am Wochenende helfe, seinen Partykeller zu streichen und die Einrichtung dafür wieder aus der Doppelgarage hinaus und ins Tiefgeschoss hinunter zu tragen.
An Flucht ist nicht zu denken, weil praktisch alles außen rum zum Risikogebiet erklärt wurde. Dann muss ich halt hierbleiben, wo das Risiko zwar überschaubar aber extrem nervig ist.
Ach, was soll’s, ich gehe zum Wirten rüber. Hannes, der Barmann des »A Thousand Miles to Dublin« wird mir wieder etwas Rausch ins Kilkenny hineinrühren und mich darüber aufklären, dass der schönste Ort der Welt doch an seinem Mooreichen-Tresen liegt. „Wozu denn in die Ferne schweifen, wenn das Red Ale steht so nah?“
Wo er recht hat, hat er recht.
Der Bruder, das Virus und der Rest bleiben draußen. Und solange die Zwischenräume zu den Mitmenschen rechts und links passen, sich kein Dartpfeil verirrt und das Bier schmeckt, ist alles in perfektem Einklang. Abstand mit Anstand sozusagen. Als ich die dunkle Tür öffne und die Klingel ihr hübsch einladendes »Palimpalim« ertönen lässt, merke ich mal wieder, wie schön das Leben doch ist.
Sogar die Musik passt: Als das erste Kilkenny gezapft wird, läuft via Spotify-Gedöns das deutschsprachige Original von Steiner und Madlaina – und das rückt mit ihrem als perpetuum mobile des Lebens denkbaren Refrain alles wieder gerade:
„Doch werd‘ ich nie die Erste sein/Wo alle doch so glücklich scheinen/Bis dann trink ich auf das schöne Leben/Das wir niemals haben werden/Weil ich das schon lange weiß/Bleib ich sitzen, bis es heißt/Komm wir trinken auf das schöne Leben/Das wir niemals haben werden.“
Das klingt immer noch schön, aber eben auch so endgültig, dass ich auf ewig auf dem Hocker im »A Thousand Miles« verharren möchte. Plötzlich ist mir auch die Sehnsucht nach Misantropolo oder San Agata di Quale vergangen. Erstaunlich, was die Sprache so alles bewirkt. „Hannes ein Bier für Steiner, Madlaina und für mich.“
Web-Links zum Text
…bei Youtube:
- Video zum Lied: La dolce vita von Crucchi Gang, Steiner & Madlaina
- Video zum Lied: Il mio bungalow von Crucchi Gang, Francesco Wilking
- Video zum Lied: Vieni qui von Crucchi Gang, Faber
- Video zum Lied: Una Festa Sui Prati von Adriano Celentano
- Video zum Lied: Non dimenticar le mie parole von Rita Pavone
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- Amazon Link zum Album “Grucchi Gang” vom Grucchi Gang
Prechers »Fundamentalteilchen« – die Kolumne
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