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Essener_Feder_01 Es ist im Trend, seine Stimme zu erheben. Gefällt einem etwas nicht, schreibt man im Internet seinen Kommentar darunter. Wie verwunderlich ist es da, dass Facebook immer noch nicht den „Gefällt mir nicht“-Daumen auf seiner Seite hat.   

“Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist, es wär‘ nur deine Schuld wenn sie so bleibt!” (Die Ärzte – „Deine Schuld“. )

Seinen Senf dazugeben ist in. Doch das reicht natürlich nicht. Das Internet weckt in uns eine seltsame Gruppen-Loyalität. Andere Menschen sind unserer Meinung, wir können uns zusammen tun, und wir könnten … nein, wir müssen doch auch etwas tun!

Einen Weg dazu bieten sogenannte Petitionsseiten. Früher gingen im Ort Leute herum und sammelten Unterschriften. Zum Beispiel gegen die Schließung des Gemeindezentrums. Oder gegen einen Erlass des Bürgermeisters. Der wiederum fürchtete um die Wählerstimmen und knickte auch das ein oder andere Mal ein. So funktionieren Petitionen und haben auch einen Sinn.

Doch das Internet kennt die seltsamsten Auswüchse. Beispielsweise stellt sich die Frage, was es eigentlich bringt, gegen Kinderschänder Unterschriften zu sammeln? Sieht der die Masse an Feinden, beginnt zu weinen und schwört, dass er es nie wieder tut? Natürlich nicht. Vielmehr geht es wohl darum, zu zeigen, wogegen man ist und was man bereit ist, dafür zu tun (äh, nur was genau?). Doch im Fall eines Kinderschänders ist das wohl auch hinfällig. Denn wer ist nicht dagegen, außer man ist selbst einer?

Die traurige Wahrheit ist leider: Petitionen sind der neue Aktionismus. Wir müssen was tun! Nur was? Unterschreiben wir eine Petition! Und was hat man davon? Das gute Gefühl, etwas getan zu haben. Ich hab‘s der Welt gezeigt: Ich bin gegen Kinderschänder!

Ist es nicht sogar die neue Form von blindem Aktionismus? Blind, wenn man schlimme Dinge auf der Straße sieht, aber statt einzuschreiten, eine Petitionen dagegen unterzeichnet? Genauso wie es eine neue Form des Aktionismus ist, sich in sogenannten Shitstorms zu entrüsten. In der Gruppe ist es ja so schön und das Internet so herrlich anonym. Dass dabei auch immer wieder fehlgeleitete Entrüstung an den Tag gelegt wird, zeigt die Facebook-Seite „Zuerst denken, dann klicken“. Ob Hundeschänder, die in fernen Ländern längst dingfest gemacht wurden, aber hier immer noch per Mob gesucht und hübsch gelyncht werden sollen , aber bitte erst nach langer Folter, (so der Haupt-Wunsch der Facebook-User) oder ein Baby mit einem Tumor im Gesicht, für das Facebook angeblich pro „Like/Teilen“ 3 Cent zahlt. Der Tumor ist aber in Wirklichkeit ein Blutschwamm und das Kind mittlerweile 7 Jahre alt (Dass Facebook kein Geld lockermacht, sollte jedem mit Grips eh klar sein). Doch eigentlich ist das den Verbreitern solcher Nachrichten sowieso unwichtig. Wichtig ist: Ich habe etwas getan. Ich habe geholfen. Ich bin guuut.  Das bedeutet natürlich auch Likes!

Es ist ja nicht so, dass nicht fast alle von uns sofort jede Petition unterschreiben würden, wenn man damit alles aus der Welt schaffen könnte, das uns nicht nur nicht gefällt, sondern gegen das wir so hilflos sind: Kinderschänder, Krieg, Gewalt, Armut, Terror. Nur findet das echte Leben leider nicht in Facebook statt. Sondern hier und jetzt, wo man selbst aktiv werden kann, wenn man weiß was im Nachbarhaus ein Vater mit seinen Kindern macht.

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Von Maria Blömeke

Ehemaligen Ww-Redakteurin

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