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Nicke_Andersson

Wie bereits in der Plattenkritik angekündigt, interviewte Markus“Welby“ Schmidt, Frontmann von Supercobra, Nicke Andersson von Imperial State Electric (Ex-Entombed, Ex-Hellacopters) am 24.7.15.

Nachdem ich für den Wildwechsel eine Review zur neuen Imperials-State-Electric-Scheibe “Honk Machine” verfassen durfte, bot sich mir kurz darauf die Gelegenheit zu einem Telefoninterview mit Nicke Andersson. Eine spannende Sache für mich als großen Hellacopters-Fan – gewarnt von anderen Interviewern, von denen Nicke als eher wortkarger Typ beschrieben wird, rufe ich also in Schweden an – und ganz anders als erwartet, plaudere ich mit einem gut aufgelegten, freundlichen, offenen und angenehm normalen Typen mehr als ein halbe Stunde über seine Band, Songs, Lieblingsbands und – natürlich – Gitarren…

MWS: Hallo Nicke, Markus „Welby“ Schmidt hier, ich möchte gerne mit dir für das deutsche Magazin Wildwechsel über deine neue Platte sprechen. Warum ist „Honk Machine“ die beste Platte von Imperial State Electric?
Nicke: Na ja, jede Band findet doch ihr aktuellstes Album am besten, oder? Wäre ja schrecklich, wenn es nicht so wäre. Aber – im Grunde ist es nicht an mir, das zu beurteilen. Und wer weiß, vielleicht sagt man im Rückblick, dass doch ein anderes besser war. Aber im Moment finde ich, es ist eine tolle Sammlung von Songs geworden – mir gefällt’s.

Ein Sammlung von Songs. Das ist ein gutes Stichwort. Ich finde, es ist eine Sammlung doch sehr unterschiedlicher Songs. Es gibt „beatle“-eske Songs, Soulnummern und Rock‘n’Roll. Es wirkt, als hättest du bei ISE die Freiheit, musikalisch all das zu machen, wozu du gerade Lust hast. Würdest du sagen, dass diese Freiheit eine der Besonderheiten deiner „neuen“ Band ist?
Ja und nein. Seit ich angefangen hab’, Musik zu machen, also mit 16 oder schon etwas früher, hab’ ich immer nur die Musik gemacht, die ich machen wollte. Alles andere wäre doch seltsam. Aber es stimmt schon, dass der Rahmen hier etwas weiter gesteckt ist als zum Beispiel bei meiner alten Band, den Hellacopters. Es ist trotzdem eine Rock‘n’Roll–Scheibe. Nimm zum Beispiel die Stones. Jeder würde doch sagen, dass die Stones eine Rock‘n’Roll-Band sind. Und nun hör‘ dir „Goats Head Soup“ an [Anm.: 1974 – da ist z.B. „Angie“ drauf, aber auch „Heartbreaker“]. Es ist toll, dass diese Scheibe so viele unterschiedliche Songs enthält. Und eine gute Rock‘n‘Roll-Platte sollte genau diese Abwechslung bieten. Die schnellen Nummern wirken sogar schneller, wenn man sie mit einer Ballade mischt [lacht]. Es bedeutet auch mehr Spaß für die Band, und – hoffentlich – auch mehr Spaß für die Hörer.

Weil du schon die Stones ins Spiel gebracht hast: Es gibt die Nummer „Maybe You’re Right“, die sehr nach den Beatles klingt, aber auch jede Menge Riffs auf der Scheibe, die an die Stones erinnern. Also Hand aufs Herz: Welches ist die bessere Band, die Beatles oder die Stones?
Das kommt ganz auf die Zeit an, von der man spricht. Ich würde sagen, ich mag die frühen Beatles und die späten Stones. Die Stones wurden erst so richtig gut, nachdem Brian Jones gestorben ist – das darf man zwar nicht laut sagen, aber es stimmt einfach.

Doch, das darf man – ich sehe das genauso ;-)
Zu den guten Songs, bei denen er offiziell noch dabei war, wie „Street Fighting Man“, hat Brian Jones doch im Grunde gar nichts mehr beigetragen. Bei den Beatles mag ich zum Beispiel „Revolver“ und am liebsten „Help!“, mit „Sgt. Pepper“ kann ich dagegen am wenigsten anfangen. Und die Stones waren in diesen frühen 60er-Jahren doch eher eine britische R‘n’B-Band unter vielen. In der Zeit finde ich zum Beispiel The Who viel aufregender.

Ein bisschen hört man das beim Intro von „Just let me know“, auch wenn der insgesamt nicht nach The Who klingt.
Das ist Tobias‘ Song [Anm.: Tobias Egge – Gitarrist und Teilzeit-Leadsänger bei ISE], gut möglich, dass sie ihn inspiriert haben.

Lass uns bei der Gelegenheit doch wieder etwas mehr über deine Band reden, statt über andere.
Ich rede eigentlich viel lieber über andere ;-)

Als ich euch zuletzt live gesehen habe und auch bei den Platten, ist mir aufgefallen, dass ihr häufiger die Rolle des Frontmanns tauscht. So singen auch öfters mal Tobias Egge oder Dolf de Borst [Anm.: Bassmann – auch bei den Datsuns]. Ist das auch eine Besonderheit dieser Band?
Ja, ich finde es klasse, mit so guten Leuten zusammenzuarbeiten, dass man das machen kann. Und ich hätte am liebsten noch viel mehr Songs von Tobias oder Dolf. Aber wir schreiben einfach unterschiedlich schnell. In der Zeit, wo Tobias zwei Songs macht, mache ich zwanzig. So kommt es dann, dass am Ende doch die meisten auf dem Album von mir stammen.

Also seid ihr eher so etwas wie eine „demokratische“ Band?
Kein bisschen. Ich bin eindeutig der „Emperor“, der sagt, wo’s langgeht – der sich aber auch um die ganzen lästigen Sachen wie Veröffentlichungen, Verträge, Promo, Interviews etc. kümmern muss. Denn eigentlich ist doch das Spielen selbst das Schöne am Musikmachen.

Hoffe, das hier ist gerade nicht zu lästig ;-)
Nein, nein, alles gut ;-) Ich glaube außerdem, ich bin eher ein „guter“ Herrscher.

Mir ist auch aufgefallen, dass du bei ISE, anders als bei den Hellacopters, eigentlich fast alle Leadguitar-Parts selber übernimmst. Bedeutet das für dich mehr Spaß oder eher mehr Arbeit?
Mehr Arbeit, eindeutig. Oft entstehen die Soli bei Demos der neuen Stücke, die ich für die anderen in der Band aufnehme. Und dann muss ich meine eigenen Soli mühsam einstudieren. Ich hab’ kein großes Talent, wenn es darum geht, spontan Soli zu improvisieren. Tobias ist übrigens ein sehr guter Lead-Gitarrist – aber er traut sich das oft nicht zu. Also mache ich das meistens.

Für einen, der sich selbst eigentlich als Drummer sieht, ist’s ganz ok ;-)
Danke.

Wer sind denn deine Gitarren-Helden, vor allem wenn es um die Soli geht?
In Sachen Rhythmus-Gitarre natürlich Paul Stanley, aber auch Wayne Kramer [Anm.: MC5] oder die Jungs von AC/DC. Bei den Leads Ace Frehley, Fred „Sonic“ Smith, Glen Buxton, aber eben auch Mick Taylor [Anm.: 1969-1974 Lead-Gitarrist der Stones]. Besonders cool fand ich aber immer auch den Gitarristen von Accept, Wolf Hoffmann. Auf Accept stand ich früher ziemlich und bei Live-Shows hat mich sehr beindruckt, dass die Fans statt der Gesangsparts die Soli mitgesungen haben. Das muss man erstmal schaffen! Oft sind die einfachen Soli die besten. Deshalb gehören auch Typen wie Yngwie Malmsteen eher nicht zu meinen Vorbildern. Ihre Soli kann ja auch keiner mitsingen ;-)

Dann lass uns ein bisschen über Gitarren reden, falls dich das nicht langweilt.
Das langweilt mich nie. Das ist mein Hobby!

Du hast eigentlich immer Gitarren gespielt, mit denen du deinen Helden huldigst, z.B. Linkshänder-Replicas von alten Mosrites oder alten Epiphones zu Ehren von Fred „Sonic“ Smith. Live hab’ ich dich zuletzt aber öfters mit einer schicken weißen Gibson SG Custom gesehen. Die konnte ich nicht zuordnen.
Das ist meine Alice-Cooper-Gitarre! [Anm.: Glen Buxton spielte sie.]

Schade, ich hab‘ auch so eine – hatte gehofft, du spielst sie deswegen ;-)
Na, dann behaupten wir das jetzt einfach ;-)

Und Tobias Egge hatte auf der Bühne die gleiche.
Ja, wir haben verschiedene Pärchen, zwei weiße SGs, zwei weiße Flying Vs, zwei schwarze Les Paul Customs, zwei weiße Epiphone-Replicas. Das macht auf der Bühne halt was her, vor allem weil wir je ein Rechts- und ein Linkshändermodell haben.

Das stimmt wohl. Und auch in Sachen Verstärker hat sich offenbar etwas verändert. Früher hat man dich immer mit riesigen Orange-Stacks in Verbindung gebracht. Jetzt spieltst du offenbar Fender-Combos. Ein ziemlich großer Schritt, oder?
Wie alle Gitarristen bin ich immer auf der Suche nach dem optimalen Sound. Und Fender Amps fand ich immer klasse, hab‘ auch früher öfters Fender Twins genutzt. Aber so richtig glücklich war ich nie damit. Mittlerweile hab ich’s aber raus: Es funktioniert nur mit allen Reglern auf 10! Das klingt super.

Bei einem Fender Twin ist das aber ein Alptraum für deine Mitmusiker, oder? Da fliegen einem die Ohren weg!
Stimmt – deshalb hab ich jetzt den Fender Vibrolux für mich entdeckt. Der hat nur 35 Watt [Anm.: statt 85 wie der Twin] – also genau richtig, wenn man ihn voll aufreißt. Ich tausche dann noch die Röhren [Anm: 6V6 statt 6L6] und dann ist’s richtig gut. Noch toller klingt der Deluxe Reverb, aber der ist mir etwas zu schwach auf der Brust. Wenn wir dann irgendwann ganz berühmt sind und auf die Riesenbühnen dürfen, spiel ich wieder ‘nen Twin ;-)

Apropos berühmt – ich hatte mal das Glück, mit einem Helden wie Mike Davis [Anm.: MC5] zu spielen und der sagte mir dann backstage, dass er neben den Touren zum Broterwerb doch einem ziemlich profanen Job nachgehen musste. Und bei den großartigen Sewergrooves sind einige Lehrer im Hauptberuf. Gibt es auch ein geheimes Leben des Nicke Andersson?
Ja, bei mir ist’s ähnlich. Zum Glück aber hab‘ ich zum Broterwerb ein Tonstudio – damit komm‘ ich über die Runden – und es hat mit Musik zu tun. Vom Rock‘n’Roll allein kann also auch ich leider nicht leben. Wäre schön, wenn der Trend mal wieder dahin gehen könnte, dass man in ausverkauften Stadien rocken könnte und davon reich würde – aber so ist es leider nicht.

Naja, demnächst seid ihr ja auf Tour mit den ziemlich angesagten Graveyard. Was darf man da erwarten?
Da freue ich mich sehr drauf. Eine der aktuell besten Rockbands aus Schweden. Bin ein echter Fan.

Und sie von dir, wie’s scheint. Bei Youtube gibt’s ein Video, auf dem Graveyard zusammen mit den Hives „Gotta get some Action“ von den Hellacopters performen. Kennst du das?
Ja, ein Freund hat mir mal den Link geschickt. Hab‘ mich sehr geehrt gefühlt …

Als ich dich das erste Mal live gesehen habe, waren die Hives noch deine Vorband …
Hm, was ist da bloß schiefgegangen? Nein, mal im Ernst. Das ist voll ok, dass die jetzt ganz oben mitspielen – oder hast du je eine geilere Live-Band gesehen als die Hives?

Nochmal zurück zu „Honk Machine“. Eine der in meinen Augen besten Nummern auf der Platte ist der an The Solution erinnernde Soul-Song „Walk on by“. Es heißt, du hättest etwas Bammel gehabt, so etwas selbst zu singen. Warum?
Na ja, singt man bei so einer Ballade, gibt man sehr viel von sich preis. Auch kann man seine Stimme nicht hinter einer „Wall of Sound“ aus krachenden E-Gitarren verstecken. Da muss man sich schon etwas überwinden. Freut mich aber, wenn es dir gefällt.

Du hast jetzt seit 1987 [Anm.: Nicke ist Jahrgang 1972!] ca. 40 Platten gemacht, als Drummer, Sänger, Gitarrist, Produzent etc. Welche Scheibe musst du unbedingt noch machen in Zukunft?
Also vor allem natürlich das nächste Imperial-State-Electric-Album. Aber ich arbeite auch schon seit einiger Zeit an der neuen Scheibe von Death Breath, die mir sehr am Herzen liegt. Die muss unbedingt fertig werden.

Ein schöner Ausblick. Danke für das Gespräch.
Danke auch.

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